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Herr Gentinetta und die Mobilitätskosten-Halbwahrheit

Freitag, 22. Juli 2011 7:59

Mobilität ist super. Aber im Fall des Individualverkehrs zu teuer. Findet der Vorsitzende der Geschäftsleitung von economiesuisse, Herr Dr. Pascal Gentinetta. Denn die Mobilitätskosten scheinen ihm einseitig und ungerecht verteilt.

Das Verursacherprinzip

Am 7.7.2011 meldet sich Herr Gentinetta deshalb unter der Schlagzeile «Bahnausbau: Der Nutzer muss zahlen» in einem leider nicht kommentierbaren Kommentar (Deshalb die Antwort an dieser Stelle) zu Wort. Der Bahnausbau dürfe nicht «über neue Steuern und über die Quersubventionierung durch den Strassenverkehr» finanziert werden. Denn:

«Die Finanzierungslösung ist der Bahnnutzer. Die überfüllten Züge beweisen täglich, dass eine echte Nachfrage besteht. Vor allem aber zeigen sie auf, dass die aktuellen Tarife auf vielen dicht befahrenen Strecken viel zu niedrig sind. Heute entfernen sich die Abonnementspreise im Personenverkehr immer weiter von den tatsächlichen Kosten. Diese ökonomisch unsinnige versteckte Subventionspolitik über den Preis setzt auch raumplanerisch falsche Anreize und darf nicht weiterverfolgt werden. Es ist stattdessen das Verursacherprinzip wieder deutlich zu stärken: Wer die Bahn benutzt, soll mehr als bisher dafür bezahlen. Insbesondere, wer zu Stosszeiten häufiger fährt, muss entsprechend stärker zur Kasse gebeten werden. Was im Flugverkehr schon lange gang und gäbe ist, könnte auch für den Bahnverkehr zum Erfolgsmodell werden.» (Hervorhebung durch mich)

Die Forderung, das Verursacherprinzip zu stärken, ist durchaus vertretbar. Aber nur, wenn man sämtliche anfallenden Kosten mit einbezieht. Dazu gleich mehr.

Die Kostenwahrheit

Will man einen fairen Vergleich der Verkehrskosten von Bahn- und Strassenverkehr anstellen, kommt man um einen wichtigen Faktor nicht herum: die Externen Kosten.

«Unter externen Verkehrskosten versteht man» laut dem Bundesamt für Raumentwicklung ARE «diejenigen Kosten, welche durch die Mobilitätsteilnehmenden verursacht, jedoch nicht von ihnen selber getragen werden. Die wichtigsten Bereiche sind Unfälle, Lärm, Gesundheit, Klima sowie Natur und Landschaft.»

Vergessen wir also für einen Moment den Vergleich zwischen Billettpreisen und Benzinkosten und schauen uns die Externen Kosten in der Schweiz anhand der Zahlen des Jahres 2005 an.

Gerundete Zahlen. Entnommen bfs.admin. Quelle: „Externe Kosten des Verkehrs in der Schweiz, Aufdatierung für das Jahr 2005 mit Bandbreiten“, Bundesamt für Raumentwicklung (ARE). Stand: Dezember 2009.

Noch einmal gut lesbar die Externen Kosten für das Jahr 2005

  • Schienenverkehr 455 Millionen Franken
  • Strassenverkehr 8 Milliarden (!) Franken

Die Realität

95 Prozent der Externen Kosten werden also durch den  Strassenverkehr verursacht. Nur 5 Prozent entfallen auf den Schienenverkehr. Ähnlich verhält es sich in den Jahren 2006 und 2007, wie man dem PDF Externe Kosten 2006 – 2007 des Bundesamtes für Raumentwicklung ARE entnehmen kann. Kosten, die wir alle bezahlen. Auch diejenigen, die aus Überzeugung auf Fortbewegungsmittel verzichten, die nur 1/100 der Primärenergie in Bewegung umsetzen*, während der überwiegende Teil ungenutzt für immer verpufft.

Natürlich kann man diese Zahlen – wie alle anderen Zahlen auch – auf verschiedenste Art interpretieren und gewichten. Aber gänzlich verschweigen und ignorieren sollte man sie nicht.

Die Forderung

Kommen wir nun also auf das Argument Verursacherprinzip zurück und fordern von den Verursachern (wie von economiesuisse angeregt) die Übernahme der tatsächlichen Kosten. Nein? Zugegeben, auch wenn die Deckung sämtlicher Kosten durch die Verkehrsteilnehmenden wünschenswert ist, so wäre es im Moment doch etwas viel verlangt.

Aber mit diesen eindeutigen Zahlen vor Augen können wir vielleicht wenigstens damit aufhören, möglichst alle Kosten vom Autofahrer fernhalten zu wollen.

Was meinen Sie, Herr Gentinetta?

* Marcel Hänggi rechnet in seinem Buch vor (Stark von mir gekürzt): Unter Alltagsbedingung setzt ein Verbrennungsmotor nur 20 Prozent der im Kraftstoff enthaltenen Primärenergie in Bewegung um. Bei einem Auto von 1,5 Tonnen mit einem 75 Kilogramm schweren Fahrer am Steuer dienen 19/20 der Bewegungsenergie dazu, das Fahrzeug zu bewegen. Nur 1/20 – also 1 Prozent der Primärenergie – dient der Fortbewegung des Fahrers.

Buchtipp zum Thema Energieverbrauch und die Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Wirtschaft:

«Ausgepowert – Das Ende des Ölzeitalters als Chance»
Marcel Hänggi
ISBN: 978-3-85869-446-1


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Thema: Buchtipps, Gesellschaft, Politik, Schweiz, Wirtschaft | Kommentare (0) | Autor:

Die jährlich wiederkehrende Höflichkeitsfalle

Montag, 30. Mai 2011 15:24

Kaum fliegen die Pollen, schnuddert es wieder genüsslich bis verklemmt von überall her «HATSCHI». Und beinahe gleichzeitig ruft es freundlich bis mitleidig «Gesundheit», «GESUNDHEIT» oder «Gesundheit». Es ist die Zeit der Pein. Meiner Pein.

Wissen schützt vor Schelte nicht

Nicht, dass ich unter Heuschnupfen leiden würde. Aber ich weiss etwas, was du nicht weisst. Und deshalb werde ich in der Heuschnupfenzeit angepöbelt und ausgegrenzt. Unterschwellig bis eindeutig. Dies, obwohl ich überhaupt nichts mache oder sage. Schlimmer noch: Genau deshalb, weil ich nichts sage. Einzig, weil ich höflich bin.

Sobald es irgendwo niest, ziehe ich den Kopf ein, halte so lange wie möglich die Luft an, schweige eisern und versuche, den Nieser elegant zu übergehen. Selbst wenn man mich von direkt gegenüber anniest. Ich ignoriere. Stoisch. Peinlich berührt. Und in leidiger Erwartung der Reaktionen der über mein dreistes Schweigen ebenso peinlich berührten «Gesundheit», «GESUNDHEIT» oder «Gesundheit» rufenden Umwelt.

Man spürt es beinahe körperlich: «Keine Kinderstube der Herr, was?» Tuschel, tuschel. «Sollte wohl mal mit der pollenresistenten Nase im Knigge stöbern.» Was der Unhöfliche natürlich längst tat. Und was unter anderem der Grund für das sture Schweigen ist. Denn wie sagt Knigge zum Guten Benehmen in Sachen Niesen ganz richtig?

«Muss man selbst, oder aber eine andere Person in einem Raum niesen, ignoriert man dies als einen unerheblichen Zwischenfall. Dieser sollte nicht durch ein schallendes <Gesundheit!> zu einem Drama gesundheitlichen Verfalls verfremdet werden.»

Eben. Und nichts neues übrigens. So heisst es schon seit Jahren. Nützt aber natürlich nichts, wenn die naserümpfende Umwelt nichts davon weiss und wissen will. Will sagen, diese auch noch darauf hinzuweisen, sollte man tunlichst unterlassen. «Auch noch frech werden, der Herr Besserwisser?»

Was also tun? Entweder wie ein richtiger Mann weiter schweigen und dadurch indirekt sein nicht gesellschaftskonformes Benehmen öffentlich eingestehen. Oder aber – mein Favorit – in die Offensive gehen und beim Niesenden auch noch seine Rechte einfordern. Wieder Knigge:

«Ein kurzes <Entschuldigung> ist durchaus angebracht, denn nicht selten zuckt der Eine oder Andere durch das laute <Hatschi> erschrocken zusammen.»

Also dann.

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Thema: Bildungslücken, Gesellschaft, Mensch | Kommentare (0) | Autor:

Rauchfrei ohne Drohfinger

Donnerstag, 6. Januar 2011 16:25

Neues Jahr, altes Thema. Diesmal aber mit einem positiven Beispiel zur Tabakprävention. (Weil man ja – auch so ein Vorsatz – nicht immer nur motzen kann.) Und natürlich auch, weil der selbstironische Humor der Kampagnenmacher dem Autor gefällt.

Das Help-Programm für ein rauchfreies Leben

httpv://www.youtube.com/watch?v=4bTWr645iHg

Weitere Filmchen und Tipps für ein rauchfreies Leben gibt es auf der Help-EU-Homepage. Wenn auch die User unter «Absurde Tipps» wie gewöhnlich weit über das Ziel hinausschiessen.

Thema: Digital, Gesellschaft, Mensch, Werbung | Kommentare (0) | Autor: