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Frage des Tages – Organische Zusammenhänge

Dienstag, 15. Mai 2012 15:38

Sollte es ein Zufall sein, dass sich der Neurologe nur durch zwei zusätzliche Buchstaben vom Urologen unterscheidet?

Auch an gern behauptete Zusammenhänge beim männlichen Denken denkend

Thema: Fragen | Kommentare (0) | Autor:

Oswald Grübels Auftrag

Dienstag, 20. September 2011 9:52

Verantwortlich, ja. Schuldig, nein. Sagt Oswald Grübel zur milliardenschweren Fehlspekulation eines Händlers seiner UBS. Und «Ich denke nicht über einen Rücktritt nach» Denn: Diese Frage ist Sache des Verwaltungsrates.

Über diese spezielle Form der Übernahme von Verantwortung mag man sich im ersten Augenblick wundern. Doch die ganz eigene Logik dahinter ist in sich durchaus stimmig und wurde schon im UBS-Werbespot mit Oswald Grübel erkennbar. In wenigen Worten:

Ich wurde gerufen. Und berufen.

Und ich werde nicht ruhen, bis ich meinen Auftrag erfüllt habe.

httpv://www.youtube.com/watch?v=V51Pz6Vwez0

Für den Fall, dass der Spot auch auf Youtube gelöscht wird, der Text zum Lesen

«Ich habe mich oft gefragt, warum? Warum Ich? Warum aus dem Ruhestand zurückkehren? Und dann wurde mir klar, ja, ich muss es tun. Ich schulde es den Menschen, die bei dieser Bank arbeiten. Ich schulde es der Bank, die mal mein härtester Konkurrent war. Und ich schulde es mir. Ich wusste, dass das alles nicht einfach wird und dass vieles verändert werden muss. Aber wenn ich auf das letzte Jahr zurückblicke, kann ich feststellen, dass wir doch schon sehr viel erreicht haben. Und das hat mir das Vertrauen gegeben, das Ziel höher zu setzen. Ich wollte schon immer für eine Bank arbeiten, die alles verkörpert, was eine Bank sein muss. Ich wollte schon immer für DIE Bank arbeiten. Jetzt haben wir die Chance DIE Bank zu werden. Ich bin davon zutiefst überzeugt. Also sollten wir diese Chance nutzen. Sie kommt nur einmal. Es wird nicht leicht werden, aber wir werden es schaffen. Und wir werden nicht ruhen, bis wir es geschafft haben. Deshalb ist das Leitmotiv für unsere Werbekampagne: <Wir werden nicht ruhen>. Es wird die erste Werbung sein, mit der wir seit zwei Jahren an die Öffentlichkeit treten. Und es wird viel mehr sein, als eine Werbekampagne. <Wir werden nicht ruhen.> wird Ausdruck von unserer Ambition, unserer Haltung und unserer Verantwortung sein. Für jeden einzelnen von uns. Angefangen mit mir.»

Parallelen zu dem sich «für das Wohl von Volk und Land» aufopfernden Christoph Blocher sind nicht von der Hand zu weisen. Ein Grund, sich wieder einmal den wissenschaftlichen Vergleich neurologischer Ähnlichkeiten einiger öffentlicher Personen zu wünschen.

Nicht als Provokation. Sondern aus ehrlichem Interesse.

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Thema: Gesellschaft, Politik, Rückschau, Schweiz, Werbung, Wirtschaft | Kommentare (0) | Autor:

affenmonopol für erbrecher

Donnerstag, 27. Januar 2011 17:33

«Kurz muss die Botschaft sein. Und eingängig.»

Sowas treibt Werbetexter um. «Also los los los: Kürzen… Allerdings ohne dabei die Relevanz» in diesem Fall für die Initiative für den Schutz vor Waffengewalt «aus den Augen zu verlieren.»

Natürlich. Deshalb sei an dieser Stelle der öffentlich ausgehängte 26-Buchstaber «Waffenmonopol für Verbrecher?» um satte 0,53 Prozent auf 24 Buchstaben optimiert.

Das Resultat im Vergleich zum Original:

[+] Kurz | [=] Einprägsam | [=] Relevant

Alles erfüllt. Wobei der Kürzer natürlich gerne zugibt, dass diese Zeichenanzahl-optimierte Line nicht genau so direkt in des Stimmbürgers Amygdala einschlägt, wie das Original.

Thema: Politik, Schweiz, Werbung | Kommentare (0) | Autor:

Einige Gedanken zu Warnhinweisen

Mittwoch, 29. Dezember 2010 19:59

Seit dem 1. Januar 2010 sollen uns auf Zigarettenschachteln gedruckte Bilder von geschädigten Lungen, Raucherbeinen und faulenden Zähnen vor den Gefahren des Rauchens warnen. Mit dem erklärten Ziel, durch Abschreckung den Tabakkonsum und die Nikotinabhängigkeit zu verhindern oder zumindest zu reduzieren.

Ein lobenswertes Unterfangen. Immerhin sterben laut WHO weltweit fast fünf Millionen Menschen jedes Jahr an den Folgen des Tabakkonsums. Wenn der Trend anhält, bis 2020 sogar zehn Millionen.

Doch gut gemeint ist wie wir gleich sehen werden nicht zwingend gut gemacht. Die üblen Bilder könnten gar das Gegenteil der hehren Absichten bewirken.

Erwarteter Effekt: Abschreckung

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verweist als Mitverfasser der WHO-Tabakkonvention auf internationale Studien und das Tabakmonitoring des Bundes. Bei einer Befragung in Südafrika sollen 58 Prozent der Rauchenden angegeben haben, durch Warnhinweise motiviert zu werden, das Rauchen zu reduzieren oder ganz aufzugeben. Zudem sei der Anteil der Rauchenden in der Schweiz, welche die Warnungen «immer» oder «häufig» beachten, von 27 Prozent auf 38 Prozent gestiegen.

Für ein Bundesamt mit Zugang zu unzähigen internationalen Studien sind dies doch ziemlich dürftige Fakten von zudem zweifelhafter Aussagekraft.

Wie jeder jemals zur Zigarettenabstinenz entschlossene weiss, liegt zwischen einem gutem Vorsatz und dem Schritt zur Umsetzung weit mehr als eine einfache Willensbekundung. Zudem werden Warnhinweise aktiv unterlaufen, weil der Raucher sich nicht mit den plakativen Konsequenzen seines Tuns auseinandersetzen mag. Die gesteigerte Beachtung führt beim Zigikauf lediglich zu Verhandlungen über das harmloseste Bild auf der Packung und zu einer erhöhten Nachfrage nach neutralen Zigarettenetuis.

Der erwünschte Effekt verpufft wirkungslos. Doch das ist – so absurd es klingen mag – wahrscheinlich gut so.

Unerwartete Nebeneffekte: Sucht und Krankheit

Im Jahr 2004 initiierte der Branding- und Marketing-Fachmann Martin Lindstrom eine breit angelegte, internationalen Studie über die Wirkung von Marketing auf das menschliche Gehirn. In seinem Buch «Buyology. Warum wir kaufen, was wir kaufen» beschreibt er einige erstaunliche, mittels fMRT ermittelte Zusammenhänge von Botschaften und deren Wirkung auf unser Unterbewusstsein. Einer davon sollte die Verantwortlichen beim BAG aufhorchen lassen.

In einer Teilstudie konfrontierte er die Testpersonen mit den bekannten Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen. Doch statt Ekel oder Furcht auszulösen, regten die Bilder im Gehirn der Probanden den Nucleus accumbens, das Suchtzentrum, an. Den Teil des Gehirns, der unbezwingbares Verlangen nach Alkohol, Drogen, Sex anzeigt…

Doch es braucht nicht einmal umfassende Studien, um an der Wirksamkeit der Warnhinweise zu zweifeln. Oder schlimmeres zu befürchten.

Jeder Arzt oder Apotheker kann uns etwas über den Placebo-Effekt erzählen. Verabreicht man einem Patienten ein Präparat ohne Wirkstoff, stellt sich oft eine positive Veränderung des subjektiven Befindens und von objektiv messbaren körperlichen Funktionen ein. Das Selbe gilt – unter umgekehrten Vorzeichen – für den Nocebo-Effekt.

So weit, so schlecht also die Erfolgsaussichten. Doch damit nicht genug. Die durch die Bilder ausgelöste Lust auf Zigaretten und die Angst vor den drastisch vor Augen geführten Krankheiten dürften sich gegenseitig noch verstärken.

Grund genug, noch einmal über die Bücher zu gehen.

Falls Sie der Meinung sind, dass es etwas zu einfach wäre, den Beitrag an dieser Stelle zu beschliessen, haben Sie recht. Schliesslich liegt es auch in der Verantwortung jedes einzelnen, sich um seine Gesundheit zu sorgen. Deshalb zum Abschluss ein Tipp, für den Fall, dass Sie ernsthaft mit dem Gedanken spielen, mit dem Rauchen aufzuhören.

Nutzen Sie die Verlustaversion

Bitten Sie einen Freund, ein Konto anzulegen, auf das Sie das Geld für die nicht gerauchten Zigaretten einzahlen. Wenn Sie bis zu einem vereinbarten Zeitpunkt nicht rückfällig wurden, können Sie sich Ihr Erspartes auszahlen lassen. Wenn nicht, wird das Geld an einen gemeinnützigen Verein ausbezahlt. Oder noch besser, an eine Partei oder einen Verein, dem Sie niemals freiwillig etwas spenden würden. Dazu raten zumindest Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein in ihrem Buch «Nudge»

Lassen Sie mich wissen, wie es ausgegangen ist.

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Thema: Gesellschaft, Politik, Schweiz | Kommentare (0) | Autor:

Blogbeitrag / Datenauslagerung # 100

Freitag, 5. November 2010 18:49

Hui. Schon satte 99 Blogbeiträge / Datenpakete auf den Server hochgeschaufelt. Höchste Zeit, die Effizienz der privaten Datenauslagerung via Blog zu überprüfen. Und zu schauen, ob dadurch beim Autor wieder ein bisschen Platz für neuen Input geschaffen wurde.

Des Bloggers Hirn unter 4/4-getaktetem MRT-Gedröhne.

Tatsächlich. Das Daten-Outsourcing via FTP scheint zu funktionierten Die MRT-Aufzeichnung zeigt zwischen rot glühendem Gross- und Kleinhirn eine kleine formatierte Region in jungfräulichem Schwarz. Es gibt wieder freie Speicherkapazität, während der Zugriff auf das alte, ausgelagerte Wissen an jedem Ort mit Internetzugang jederzeit gewährleistet ist.

Auf ewig googlebar

Das freut den Autor. Irgendwie wenigstens. Denn die zunehmende Verfügbarkeit digitaler Erinnerungen könnte durchaus zu einem ernst zu nehmenden Problem werden. Nicht nur, weil wir durch die Digitalisierung unseres Wissens immer weniger Kontrolle über unsere persönlichen Daten haben, wie wir von Menschen, die bei der Arbeitssuche von ihrer digitalen Vergangenheit eingeholt werden, immer wieder lesen. Viel mehr, weil das Vergessen für unsere Zukunft von Vorteil, wenn nicht gar lebensnotwendig ist.

Das aber nur nebenbei erwähnt. Ist eine zu lange Geschichte für einen Blogbeitrag.

Dafür gibt es einen Buchtipp zu diesem aktuellen Thema: «Delete – Die Tugend des Vergessens in digitalen Zeiten» von Viktor Mayer-Schönberger.

ISBN 978-3-940432-90-2

Und schon wieder ein bisschen mehr Speicherplatz geschaffen.

Thema: Buchtipps, Digital, Gesellschaft, Mensch | Kommentare (0) | Autor:

Kognitive Fehlleistungen

Dienstag, 19. Oktober 2010 20:12

Es gibt Dinge, über die gescheite Menschen wie Sie und ich nicht lange nachzudenken brauchen. Zum Beispiel kinderleichte Aufgaben wie die folgende:

Ein Baseballschläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 Euro.
Der Schläger kostet 1 Euro mehr als der Ball.
Wie viel kostet der Ball?

Kinderkram sagen Sie. Zu Recht. Wenn Sie nicht auf die falsche Lösung von 10 Cent gekommen sind. Falls doch, keine Sorge. Selbst die meisten Studenten an den Elite-Universitäten Princeton und Harvard kamen zum selben Resultat.

Ist doch immer wieder faszinierend, wie sich unser Hirn sofort auf die vermeintlich offensichtlichste Lösung stürzt. Eine menschliche Eigenschaft, die im Alltag – inklusive Wirtschaft – weitreichende Konsequenzen hat, da wir fest daran glauben, jedes Problem rational lösen zu können, wenn wir nur über alle benötigten Fakten verfügen. Was selten auch nur annähernd der Fall ist. Und dann scheitern wir an einer Aufgabe, die keinerlei Spielraum offen lässt…

Die Baseball-Denkaufgabe stammt übrigens von Daniel Kahneman, einem Wirtschafts-Nobelpreis-Träger, der die Frage als Einleitung seiner Nobelpreisrede stellte.

Falls Sie sich nach dieser eben gemachten Erfahrung zu Recht fragen, bei welchen täglichen Entscheidungen wir uns sonst noch so beeinflussen lassen, finden Sie unzählige Antworten in der Fachliteratur.

Mein Buchtipp für einen unterhaltsamen Einstieg in die Verhaltensökonomik mit vielen Studien und Experimenten: «Denken hilft zwar, nützt aber nichts – Warum wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen» von Dan Ariely

ISBN: 978-3-426-78035-0

Ach ja, falls Sie bei der Rechenaufgabe noch nicht weitergekommen sind, beachten Sie unbedingt auch das «mehr» in der Aufgabe. Und lassen Sie sich nicht irritieren, wenn rechnerisch plötzlich ein zweiter Ball ins Spiel kommt.

Thema: Buchtipps, Mensch, Wirtschaft | Kommentare (2) | Autor:

Ausländer – Moslem – El Kaida – Terrorist

Sonntag, 16. Mai 2010 1:58

Das menschliche Gehirn scheint es sich manchmal ziemlich einfach zu machen. Hat es komplizierte Sachverhalte zu verarbeiten, werden verwandte Begriffe oder ganze Themenkomplexe in eine grosse Schublade zusammengepackt. Super Sache, wenn man sich schnell an das Gelernte erinnern muss. Aber auch anfällig für logische Fehler, wenn’s mehr als reine Repetition sein soll.

Schnell wird aus «70 Prozent aller Straftäter in Gefängissen sind Ausländer.» der nicht ganz richtige Umkehrschluss «70 Prozent aller Ausländer sind Straftäter.»

Ein gutes Beispiel für derartige gedankliche Vereinfachung liefert SVP-Nationalrat Hans Fehr. Im Zürcher Unterländer vom 6. Mai 2010 fällt ihm zur Burka-Diskussion nur die einzige für ihn logische Verknüpfung «Burka – Selbstmordattentat» ein. Das klingt dann so: «Auch Terroristen könnten sich mit einer Burka tarnen». Weit gedacht, Herr Fehr.

Ein weiteres eindrückliches Beispiel war am 21. April 2010 auf 20min.ch zu beobachten. Der Luzerner FDP-Jungpolitiker Maurus Zeier soll (er hat das später relativiert) in einem öffentlichen Podium zum Thema Ausländerstimmrecht gerufen haben, «dass man dann genauso gut auch Tieren das Stimmrecht geben könne».

Interessant war aber nicht der Bericht, sondern die anschliessenden Forumsbeiträge. Viele Leser regten sich über die Empörung unter den anderen Podiumsteilnehmern auf. Aussagen wie «Interessant ist bloss, dass uns islamische Imame als Tiere beschimpfen dürfen» waren im Forum gut vertreten. Man erinnere sich: Es ging im Beitrag um Ausländer allgemein, nicht um Moslems. Trotzdem wurde der Begriff Ausländer im Zusammenhang mit Tieren sofort mit der Koran-Diskussion der vorangegangenen Wochen verknüpft und ohne weiteres nachdenken mit radikalen Predigern gleichgesetzt.

Gefährlich daran ist, dass man diese Fehlleistung des Gehirns für politische Zwecke missbrauchen kann. Man denke nur an George W. Bush, der «9/11 – El Kaida – Afghanistan – Irak» in öffentlichen Auftritten so lange in einem Atemzug nannte, bis jeder die Verknüpfung «9/11 – Irak» fest im Kopf verankert hatte. Der Weg für einen Angriffskrieg ohne nennenswerten Protest war geebnet. Ähnlich verhält es sich in der Schweizer Politik mit willentlichen Verknüpfungen von «Sozialhilfe» und «Schmarotzer» oder eben «Ausländer – Araber – Moslem – Terrorist»

Nehmen wir uns doch in Zukunft wieder die Zeit, erst über Worte nachzudenken, bevor wir sie verwenden oder ungeprüft einfach schlucken. Damit aus Ausländern wieder einfache Ausländer und aus Kleidung wieder einfache Kleidung wird.

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Thema: Gesellschaft, Mensch, Politik, Schweiz | Kommentare (0) | Autor:

Von der Neiddebatte zur Hirnforschung

Montag, 26. April 2010 21:00

Tagesanzeiger, 26. April 2010.

Wenn in einer Schlagzeile «Mehr Demokratie in der Wirtschaft» steht und Dinge wie «Neidgesellschaft» in der Einleitung, muss ich das unbedingt lesen. Das könnte interessant werden. Satz mit X: War wohl nix.

Schon der erste Satz des Beitrages von Simone Meier zeigt, dass auch die schreibende offenbar einer weit verbreiteten Fehleinschätzung unterliegt.

«Wir wundern uns alle über das Geld, das so dreist in den Manager-Etagen der Grossbanken verlocht wird, und sind neidisch und hätten für unsere harte Büez auch gerne mehr.»

Nein Frau Meier. Wir wundern uns nicht alle. Und wir sind auch nicht alle neidisch.

Aber egal. Dieser kurze Einstieg soll hier nur exemplarisch aufzeigen, woran viele Diskusionen scheitern. Und warum man viele Politiker, Manager oder Gläubige mit Argumenten in ihrer eigenen Wertewelt nicht erreicht: Sie betrachten ihre Umwelt ausschliesslich aus der eigenen Warte.

Wer Neid zu seiner natürlichen Gefühlswelt zählt, sieht nur Neider um sich herum. Der Egoist nur andere Egoisten. Vielleicht in verschiedenen Abstufungen. Aber letzten Endes eben doch Neider und Egoisten. Unvorstellbar, dass jemand anders ticken könnte. Und auch unerklärbar. (Ich habe es oft genug versucht.) Es gibt offensichtlich individuelle, aber unverhandelbare Ansichten.

Woher kommen diese unverrückbaren Überzeugungen? Liegt es an der Erziehung? Oder an den gemachten Erfahrungen? Zum Teil bestimmt auch daran. Aber ich denke, viele unserer stärksten Glaubenssätze hängen sehr direkt mit Funktionen, beziehungsweise Fehlfunktionen unseres Gehirns zusammen. Ein geradezu körperliches Gefühl des Wissens, ohne darüber nachdenken zu müssen. Deshalb sind sie so tief in uns verankert und so schwer zu entkräften.

Einen Hinweis darauf liefern auch die aktuellen Neurowissenschaften. Man weiss zum Beispiel dank Forschern wie Vilayanur Ramachandran, dass die Stimulation des Schläfenlappens zu starken religiösen oder spirituellen Gefühlen führen und Schläfenlappen-Epilepsie sogar spontan extreme religiöse Erfahrungen auslösen kann. Und wenn ich mich richtig erinnere, auch Allmachtsphantasien. Bestimmt kennt jeder jemanden, der davon betroffen sein könnte.

Mir fallen dazu die Gebrüder Blocher ein. Der eine reklamiert für sich politisches und wirtschaftliches Allwissen. Der andere wähnt sich der göttlichen Weisheit sicher. Bitte nicht falsch verstehen. Ich werte hier nicht und weiss nichts über die Gesundheit der beiden. Doch vielleicht gibt es da ja einen Zusammenhang. Und ich würde es gerne erfahren. Schliesslich hat das auch mit meinem Leben zu tun.

Oder man denke an Investmentbanker. Wäre es möglich, dass deren Verhaltensweisen mit der Beschaffenheit gewisser Hirnareale zu erklären sind? Neurowissenschaftler haben ein relativ neues Forschungsobjekt für sich entdeckt. Die Spiegelneuronen. Diese seit 1995 bekannten Zellen könnten der Schlüssel für das Verständnis von Empathie sein. Sie ermöglichen die Simulation des emotionalen Zustandes des Gegenübers und erlauben es, sich in diesen hineinzuversetzen. Ein Werkzeug für Mitgefühl, Zusammengehörigkeit und Verantwortungsbewusstsein.

Glaubt man verschiedenen Insiderberichten und Büchern, sind viele Investmentbanker ziemlich einsam. Nicht bindungsfähig und auch ausserhalb der Berufes immer auf der Suche nach dem nächsten Kick. Ob zu schwach feuernde Spiegelzellen egoistisches Verhalten verursachen könnten? Eine Erklärung wärs.

Zu gern würde ich erforschen, in wie weit unser Gehirn die Gesellschaft formt. Ob es ein SVP-Setup gibt. Oder eine Rote Socken-Voreinstellung. Und ich hoffe, dass es dazu mal eine grössere Studie mit öffentlichen Personen gibt. Das würde die vielen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen zwar nicht besser, aber vielleicht doch verständlicher machen.

Wer etwas mehr über Hirnforschung erfahren möchte, findet unzählige spannende Bücher. Zumal sich durch die Forschung immer mehr Berührungspunkte zur Psychologie und Philosophie ergeben. Deshalb möchte ich hier statt Buchtipps einfach einige interessante Autoren erwähnen.

Paul Broks, klinischer Neuropsychologe, Plymouth/Birmingham
Marco Iacoboni, Prof. für Neuropsychiatrie, Los Angeles
Hans J. Markowitsch, Prof. für Physiologische Psychologie, Bielefeld
Thomas Metzinger, Philosoph und Leiter Neuroethik, Frankfurt
Oliver Sacks, praktizierender Neuropsychologe, New York
Vilayanur S. Ramachandran, Neurowissenschaftler, San Diego

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Thema: Bildungslücken, Buchtipps, Gesellschaft | Kommentare (0) | Autor: