Beitrags-Archiv für die Kategory 'Gesellschaft'

economiesuisse und die Solidarität

Samstag, 22. Oktober 2011 11:21

Das Schweizer Steuersystem sei solidarisch. Findet Herr Dr. Pascal Gentinetta, Vorsitzender der Geschäftsleitung von economiesuisse. Ebenso die neun Prozent der Steuerpflichtigen mit dem höchsten Einkommen.

Mit gegenteiligen Behauptungen und dem Ruf nach «Umverteilung von unten nach oben» würde nur «gezielt politische Empörung bewirtschaftet», meint er in seinem Kommentar vom 19.10.2011. (Was mangels genauerer Definition des Satzes sowie der angeblichen Urheberschaft hier nicht objektiv beurteilt werden kann und wird.)

Wenden wir uns deshalb dem «entlarvenden Blick auf die Fakten» unter der Schlagzeile «Solidarität dank attraktiver Steuern» zu. Schon der erste «Fakt» verlangt nach einem zweiten, genaueren Blick, da hier «Einkommens- und Vermögensunterschiede» mit «Steuern und Steuerpflichtigen» verglichen wird.

«So kommen bei der direkten Bundessteuer die neun Prozent der Steuerpflichtigen mit dem höchsten Einkommen für fast 70 Prozent der Einnahmen auf, während 30 Prozent der natürlichen Personen gar keine Bundessteuer zahlen.»

Nicht, dass man dem grundsätzlich – nur schon mangels Quellenangabe der «Fakten» – widersprechen müsste. Aber man fragt sich unweigerlich, wer diese «natürlichen Personen» sind, welche den «solidarischen» Steuerpflichtigen «mit dem höchsten Einkommen» gegenübergestellt werden. Und warum diese keine Steuern bezahlen.

Sprechen wir hier von Personen, die überhaupt kein, oder nicht genug eigenes Einkommen erzielen, um Steuern zu entrichten? Von Sozialhilfeempfängern, IV-Rentnern und Working Poor? In diesem Fall könnte man den Satz doch so formulieren:

«So verdienen die neun Prozent der Steuerpflichtigen mit dem höchsten Einkommen locker genug, um ohne mit der Wimper zu zucken für fast 70 Prozent der Einnahmen bei der direkten Bundessteuer aufzukommen, während 30 Prozent der Schweizer Bevölkerung ohne, oder mit zu schlecht bezahlter Arbeit nicht genug zum Überleben bleibt.»

«30 Prozent* der Gesellschaft braucht finanzielle Unterstützung.» klingt natürlich nicht ganz so gerecht und schmeichelhaft für unser Steuersystem wie «Unser im internationalen Vergleich attraktives Steuerumfeld kommt somit allen gesellschaftlichen Schichten zugute». Aber in dieser Form ausgedrückt würde der Grund für das Verhältnis zwischen «unten und oben» etwas präziser beschrieben. Und die Idee einer fairen Umverteilung.

Möglich wäre eine gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen (und damit der Steuerlast) etwa, indem «die Unternehmen und die 20 Prozent der Privatpersonen mit den höchsten Einkommen und Vermögen» Arbeitsplätze schaffen, statt für die Profitmaximierung Stellen abzubauen und die Arbeitslast auf immer weniger Schultern zu verteilen.

Hätten zum Beispiel die gemäss Medienmitteilung des Bundesamtes für Statistik 230.019 Personen mit Sozialhilfe (Stand 2009 zuzüglich plus minus 2.000 neu Ausgesteuerte jeden Monat) eine Vollzeitstelle, würde schon einiges an zusätzlichen Steuereinnahmen zusammenkommen.

Gleichzeitig fielen weniger Sozialausgaben an. Dem Staat bliebe mehr Geld für ein modernes Bildungswesen, Schüler würden besser für die Arbeitswelt vorbereitet, was wiederum zu weniger Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung – und damit tieferen Steuern – führen würde.

Und dies ist nur ein kleiner Teil positiver Veränderungen bei Verzicht auf immer höheren persönlichen Profit. Das wäre doch mal ein Anfang.

* Die genaue Zusammensetzung der 30% ist zwecks Meinungsbildung gerne willkommen.

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Thema: Gesellschaft, Politik, Schweiz, Wirtschaft | Kommentare (0) | Autor:

Occupy Paradeplatz

Dienstag, 18. Oktober 2011 19:28

«OCCUPY PARADEPLATZ» schreibt heute Mittag einer von drei bis fünf jüngeren Männern mit dicker, bunter Kreide auf die Paradeplatz-Traminsel.

Schade, denkt sich der Blogautor aus dem Tram aussteigend. Mit einer dermassen um die öffentliche Meinung besorgten, brav organisiert unorganisierten Platzbesetzung wird die junge Organisation die für einen Umbruch benötigten Massen nicht mobilisieren.

Und mit der in den vergangenen Tagen vorgetragenen Nicht-Botschaft gibt sie auch gleich noch die Deutungshoheit über ihre Forderungen, Ziele und Lösungen aus der Hand. So steht heute beispielsweise im Teletext:

«Die Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf zeigt Verständnis für den Protest der Bewegung „Occupy Paradeplatz“ gegen das Finanzsystem. Grund für die Proteste sei die absolute Unverfrorenheit einzelner Banker. Dies sagte die Bundesrätin im „Tagesgespräch“ von Schweizer Radio DRS. „Einzelne Banker haben sich absolut masslos verhalten, das wirkt sich auf die ganze Wirtschaft aus“, sagte Widmer-Schlumpf. Die Vorgänge bedeuteten eine Zerreissprobe für die Gesellschaft: „Die Ängste reichen bis weit in den Mittelstand. Das muss man sehr ernst nehmen.“»

Einzelne Banker also. Das klingt doch ganz nach: Hauen wir einigen bösen Bankenbuben auf die Finger. Patschpatsch. Problem gelöst. Zusammenpacken Aktivisten. Hier gibt es nichts mehr zu tun. Die Duldung wird aufgehoben.

Bei allem Respekt. So wird das nix mit Paradigmenwechsel.

Aber vielleicht gibt es ja auf der neuen Homepage der Occupy Paradeplatz-Bewegung doch bald genaueres zu erfahren. Oder in einem ausgedeutschten Gastbeitrag aus persönlicher Sicht.

Das Angebot für die drei engagierten Gesprächspartner am Paradeplatz steht.

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Thema: Gesellschaft, Politik, Schweiz, Wirtschaft, Zürich | Kommentare (0) | Autor:

Die Erde ist eine Bleibe

Dienstag, 11. Oktober 2011 14:42

Noch so ein fixes Weltbild. Mit allem was dazu gehört. Ketzer und Glaubende. Doch dieses mal will das Bild erschüttert werden, um weiterhin zu bestehen.

Thema: Bildungslücken, Gesellschaft, International | Kommentare (0) | Autor:

Wenn statistische Fakten Vergleiche verzerren

Donnerstag, 22. September 2011 8:14

Spricht der Schweizer über Kriminalität, betont er gerne, dass mehr Ausländer als Schweizer einsitzen. Beziehungsweise, etwas präziser, verurteilt wurden.

Und damit hat er nachweislich recht, wie ein kurzer Blick auf die Kennzahlen zu Verurteilungen für ein Verbrechen oder Vergehen des Bundesamtes für Statistik (BfS) belegt.

Verurteilungen nach Nationalität

  • Schweizer: 47,4%
  • Ausländer 52,6%

Verurteilungen nach Gesetzen

  • Strafgesetzbuch (StGB) 30,7%
  • Betäubungsmittelgesetz 6,0%
  • Ausländergesetz (AuG) 13,3%
  • Strassenverkehrsgesetz 57,3%

Andererseits… Kein Fragezeichen aufgetaucht?

Vielleicht sollten wir die Zahlen noch einmal nach ihrer Aussagekraft für eine faire Gegenüberstellung von verurteilten Schweizern und Ausländern abklopfen.

  • Strafgesetzbuch [ok]
  • Betäubungsmittelgesetz [ok]
  • Ausländergesetz

Ausländergesetz? Richtig. Allzu viele Schweizer dürften sich da wohl nicht schuldig gemacht haben.

Auch wenn hier natürlich niemand bestreiten will, dass die Zahl verurteilter Ausländer an ihrem Anteil an der Bevölkerung gemessen, überproportional ist: Die so oft und gerne genannten 52,6 Prozent sind rechnerisch zwar richtig, auf den zweiten, genaueren Blick aber irgendwie doch nicht mehr ganz so eindeutig.

Dies aber wieder mal nur so nebenbei als kleine Aufforderung zum genauen Hinschauen erwähnt.

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Thema: Gesellschaft, Schweiz | Kommentare (0) | Autor:

Oswald Grübels Auftrag

Dienstag, 20. September 2011 9:52

Verantwortlich, ja. Schuldig, nein. Sagt Oswald Grübel zur milliardenschweren Fehlspekulation eines Händlers seiner UBS. Und «Ich denke nicht über einen Rücktritt nach» Denn: Diese Frage ist Sache des Verwaltungsrates.

Über diese spezielle Form der Übernahme von Verantwortung mag man sich im ersten Augenblick wundern. Doch die ganz eigene Logik dahinter ist in sich durchaus stimmig und wurde schon im UBS-Werbespot mit Oswald Grübel erkennbar. In wenigen Worten:

Ich wurde gerufen. Und berufen.

Und ich werde nicht ruhen, bis ich meinen Auftrag erfüllt habe.

httpv://www.youtube.com/watch?v=V51Pz6Vwez0

Für den Fall, dass der Spot auch auf Youtube gelöscht wird, der Text zum Lesen

«Ich habe mich oft gefragt, warum? Warum Ich? Warum aus dem Ruhestand zurückkehren? Und dann wurde mir klar, ja, ich muss es tun. Ich schulde es den Menschen, die bei dieser Bank arbeiten. Ich schulde es der Bank, die mal mein härtester Konkurrent war. Und ich schulde es mir. Ich wusste, dass das alles nicht einfach wird und dass vieles verändert werden muss. Aber wenn ich auf das letzte Jahr zurückblicke, kann ich feststellen, dass wir doch schon sehr viel erreicht haben. Und das hat mir das Vertrauen gegeben, das Ziel höher zu setzen. Ich wollte schon immer für eine Bank arbeiten, die alles verkörpert, was eine Bank sein muss. Ich wollte schon immer für DIE Bank arbeiten. Jetzt haben wir die Chance DIE Bank zu werden. Ich bin davon zutiefst überzeugt. Also sollten wir diese Chance nutzen. Sie kommt nur einmal. Es wird nicht leicht werden, aber wir werden es schaffen. Und wir werden nicht ruhen, bis wir es geschafft haben. Deshalb ist das Leitmotiv für unsere Werbekampagne: <Wir werden nicht ruhen>. Es wird die erste Werbung sein, mit der wir seit zwei Jahren an die Öffentlichkeit treten. Und es wird viel mehr sein, als eine Werbekampagne. <Wir werden nicht ruhen.> wird Ausdruck von unserer Ambition, unserer Haltung und unserer Verantwortung sein. Für jeden einzelnen von uns. Angefangen mit mir.»

Parallelen zu dem sich «für das Wohl von Volk und Land» aufopfernden Christoph Blocher sind nicht von der Hand zu weisen. Ein Grund, sich wieder einmal den wissenschaftlichen Vergleich neurologischer Ähnlichkeiten einiger öffentlicher Personen zu wünschen.

Nicht als Provokation. Sondern aus ehrlichem Interesse.

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Thema: Gesellschaft, Politik, Rückschau, Schweiz, Werbung, Wirtschaft | Kommentare (0) | Autor:

Blogbeitrag # 200 – Leere

Donnerstag, 15. September 2011 15:12

Aus aktuellem Anlass wird dieser Blogbeitrag # 200 einem Schweigetag geopfert.

Weil man sich bei «UBS hat festgestellt, dass es aufgrund von nicht autorisierten Handelsgeschäften eines Händlers ihrer Investment Bank zu einem Verlust gekommen ist. Während die Untersuchung der Vorfälle andauert, schätzt UBS gegenwärtig, dass der durch diese Transaktionen erlittene Verlust sich in einer Höhe von USD 2 Milliarden bewegen wird. Es ist möglich, dass UBS deshalb im dritten Quartal 2011 einen Verlust bekannt geben wird. Es sind keine Kundenpositionen von diesen Vorgängen betroffen.» und dem seit Jahren andauernden auf die lange Bank schieben durch die – und Zaudern der – zuständigen Politiker irgendwann nur noch selbst zu wiederholen droht.

Thema: Gesellschaft, Ohne Worte, Politik, Schweiz | Kommentare (0) | Autor:

Hab Sonne im Server

Mittwoch, 7. September 2011 8:28

Das Internet wächst rasant. Jede Sekunde. Bis zum Ende dieses Beitrages um weitere 745 Zeichen und 125 Leerzeichen. Und jedes dieser Zeichen verbraucht Energie. Viel Energie.

Bereits 2009 schätzte man die durch Informations- und Kommunikationstechnologie verursachten CO2-Emissionen als gleich hoch ein, wie diejenigen der internationalen Luftfahrt. Und dieser hohe Anteil dürfte sich in den vergangenen Jahren nicht eben verringert haben. Was also tun, als umweltbewusster Schreiber?

Viele Wege führen nach Strom.

NetZone SolarPowerGanz einfach: Die benötigte Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen. Zum Beispiel aus Sonnenenergie, mit der ab sofort auch dieser Blog zu 100% betrieben wird.

Das schützt das Internet zwar nicht vor mehr oder weniger wichtigen Beiträgen. Aber die Luft vor zusätzlichen schädlichen Gasen. Das ist doch auch schon was. Und am Rest wird weiter gearbeitet.

Thema: Gesellschaft, Schweiz, Werbung | Kommentare (0) | Autor:

Weisheiten – Über den Wirtschaftskreislauf

Dienstag, 6. September 2011 14:19

«Das Gegenteil von Konsum ist nicht Sparsamkeit, sondern Grosszügigkeit.»

Raj Patel in seinem Buch «Was kostet die Welt?»

Buchtipp:

«The Value of Nothing – Was Kostet die Welt?» von Raj Patel
ISBN: 978-3-570-50124-5

Thema: Buchtipps, Gesellschaft, Weisheiten, Wirtschaft | Kommentare (0) | Autor:

Zürich 103 A.F.

Samstag, 3. September 2011 15:06

Heute auf der Strasse einen jungen Mann mit SOMA-Kappe* entdeckt und für lustig befunden.

* Für belesene Nicht-Schweizer:
«Kappe auf haben» = «berauscht sein»

(Hersteller Soma Fabrications.)

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Frage des Tages – Sprachkompetenz

Montag, 29. August 2011 10:29

Setzen Politiker Sprache bewusst irreführend ein? Oder entgehen ihnen die sprachlich feinen aber inhaltlich oft enormen Unterschiede tatsächlich? Und welche der beiden Möglichkeiten ist schlimmer?

Diese und ähnliche Fragen stellt sich der sprach-, politik- und gesellschaftsinteressierte Schreiber immer wieder.

Aktuellen Anlass gibt der SVP-Generalsekretär Martin Baltisser. In seiner Erklärung zu einer umstrittenen SVP-Anzeige sieht er zwischen dem Satz im Plural «Kosovaren schlitzen Schweizer auf!» und jenem im Singular «Kosovare schlitzt Schweizer auf!» inhaltlich keinen Unterschied. Schliesslich waren ja zwei Kosovaren am Tatort.

Ein durchaus interessanter Einblick. Abgesehen davon, dass ganz nebenbei ein Zuschauer zum Täter gemacht wird, entsteht durch die sprachlichen Gleichsetzung von «Kosovare» und «Kosovaren» aus einer einzelnen Person – ob gewollt oder nicht – das Bild eines ganzen Volkes. Denn der Plural unterscheidet anders als Herr Baltisser nicht zwischen «zwei» und «mehrere bis unendlich».

Ein kurzer Dreisatz zur Erklärung

Wenn 1) gemäss Martin Baltisser zwischen einem und zwei Kosovaren kein Unterschied besteht (1K = K plural) und 2) der Plural die Mehrzahl nicht als Zahl definiert (K plural = 2K bis ∞K) dann ergibt sich daraus 3) 1K = 2K bis ∞K

In anderen Worten: Es besteht kein Unterschied zwischen einem, zwei und unendlich vielen Kosovaren. Da sollte es uns nicht wundern, wenn auch der einfache Bürger von einer Person auf ein ganzes Volk schliesst.

Unklar bleibt, ob diese Folgerung von Herrn Baltisser so gewollt ist oder nicht. Deshalb hier zwei kleine Hinweise für zweiteren Fall:

  1. Sprache ist immer auch Interpretationssache. Je kürzer ein Satz, desto präziser sollte der ehrliche Schreiber jedes einzelne Wort wählen. (Und desto genauer sollte sich der Leser über die Hintergründe informieren.)
  2. Eins ist nie gleich zwei.

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Thema: Fragen, Gesellschaft, Politik | Kommentare (0) | Autor: