Tag-Archiv für » Afghanistan «

Neues aus Afghanistan

Dienstag, 24. Juli 2012 9:49

War da nicht kürzlich Krieg in Afghanistan? Die «Verteidigung am Hindukusch» und ihre Folgen für die Bevölkerung ist irgendwie aus den Schlagzeilen verschwunden. Das offizielle Europa hat gerade wichtigeres zu tun.

Schön hat sich dafür Kahled Massud Waziri in die Heimat seiner Eltern aufgemacht, um sich für uns ein aktuelles Bild des Lebens in Afghanistan zu machen. Nachzulesen ist die Interviewserie ab sofort auf dem Afghanistan-Blog von Boris Barschow.

Thema: Gesellschaft, International | Kommentare (0) | Autor:

Willkommen in der neutralen Schweiz

Montag, 9. August 2010 20:44

Da sage noch einer, die Schweiz habe als Wirtschaftsstandort an Attraktivität verloren. Unsere bewährte Neutralität scheint sich bei ausländischen Firmen nach wie vor hoher Beliebtheit zu erfreuen. Von überallher strömen internationale Schwergewichte zu uns. Nur hört man in diesem auf äusserste Diskretion bedachten Land selten etwas von solchen Erfolgen.

Als sich am 21.11.2006 zum Beispiel eine international erfolgreiche israelische Firma in der Schweiz niederliess (siehe Beitrag vom 8. Juni 2010) nahm die Öffentlichkeit praktisch keine Notiz davon. Auch als am 18.03.2010 eine britische Firma einen Holding-Sitz in der friedliebenden Schweiz einrichtete, dauerte es beinahe ein halbes Jahr, bis in einer Randnotiz darüber berichtet wurde. Dabei handelt es sich auch bei diesem Unternehmen um ein global tätiges Schwergewicht.

Wie swissinfo.ch und der Tagi am 09. August 2010 berichten, unterhält die neu niedergelassene britische «in London ansässige [Firma] eine der grössten Söldnerarmeen der Welt. Schätzungsweise 20’000 Söldner sind hauptsächlich im Irak und in Afghanistan tätig – insbesondere im Dienst des US-Verteidigungsministeriums.»

Richtig gelesen: Söldner im Irak und in Afghanistan.

Welche schweizer Mizaru, Kikazaru und Iwazaru waren dafür wohl wieder zuständig? Und welcher 209-Millionen-Franken-Umsatz-Glanz in die Augen treibende Abwehrzauber entfaltete da seine blendende Wirkung?

Bin ich der Einzige, der solche Firmen in einer neutralen Demokratie irgendwie – sagen wir mal – ein bisschen unpassend findet? Oder muss man den Begriff der Neutralität erneut auf die einfachste denkbare Formel «Wir machen keine Unterschiede» herunterdampfen?

Wollen wir das? Brauchen wir das? Und vor allem, gibt es noch andere diskret arbeitende «Sicherheitsfirmen» in der Schweiz? Beziehungsweise, sollen noch weitere dazukommen?

Es scheint, als hätte ich heute zur Abwechslung einmal mehr Fragen als Antworten.

Falls Sie geschätzer Leser einen Vorschlag haben, welche Politiker man mit diesen Fragen belästigen könnte, nehme ich diesen gerne entgegen. Vielleicht richte ich dann hier ein kleines, frei zugängliches Anfrage-Formular ein. Für den Fall, dass noch andere Schweizer ein ähnlich bünzliges Neutralitätsverständnis haben wie ich.

Nachtrag 11. August

Es bewegt sich doch was. Zumindest in den Schweizer Medien. Man darf gespannt sein, ob der Bundesrat nochmal über die Bücher geht und seine Entscheidung vom Mai 2008 «dass in der Schweiz ansässige private Sicherheitsfirmen, die in ausländischen Konflikt- und Krisengebieten tätig sind, vorderhand nicht einer Registrierungs- und Bewilligungspflicht unterstellt werden.» im Sinne der Neutralität revidiert.

Dies umso mehr, als laut Tagesanzeiger für das EDA «die Ansiedlung einer privaten Sicherheitsfirma mit der Neutralität vereinbar [ist]. Die Neutralität erfordere, dass die Schweiz bei bewaffneten Konflikten keiner Kriegspartei ihr Territorium zur Verfügung stelle oder diese mit Waffen oder Truppen unterstütze. Zurzeit sei keine solche Firma in einem neutralitätsrelevanten Konflikt tätig.»

Thema: Gesellschaft, International, Politik, Schweiz, Wirtschaft | Kommentare (0) | Autor:

Kein Ausweg in Afghanistan

Sonntag, 1. August 2010 11:11

Nach neun intensiven Kriegsjahren ist man in Afghanistan von Frieden, Sicherheit und Demokratie weiter entfernt denn je. Die vollmundigen Siegesversprechungen aus Politik und Armeeführung haben sich nicht erfüllt und werden deutlich seltener ausgespochen.

Beinahe möchte man sich freuen, dass in der Politik ein Umdenken stattgefunden hat und die Verantwortlichen nun endlich auf die seit Jahren warnenden Stimmen hören. Doch das Gegenteil scheint der Fall.

Gleicher Krieg, neue Argumente

Nachdem sich die katastrophale Fehleinschätzung, die zu diesem «kurzen Friedenseinsatz» führte, nicht mehr schönreden lässt, wird einfach die Argumentation angepasst. Statt nur die viel beschworene Sicherheit am Hindukusch zu verteidigen oder den Terror ausserhalb der eigenen Grenzen zu bekämpfen, muss man nun auch noch die Ehre der Gefallenen schützen.

«Auch wenn die Kosten des Krieges den Nutzen möglicherweise niemals aufwiegen werden, müssen wir ihn dennoch weiterführen. Sonst wären unsere Kinder, Ehepartner, Geschwister vergebens gestorben», klingt es nun sinngemäss.

Doch diese hochemotionale Argumentation ist zutiefst zynisch. Sie instrumentalisiert nicht nur die trauernden Hinterbliebenen für die Fortsetzung eines längst verlorenen Kriegs, sondern verlangt im Namen der Gefallenen auch weiterhin sinnlose Opfer wertvoller Menschenleben.

Unterschätzte Eskalations-Spiralen

Schon vor Kriegseintritt wurden die kritischen Stimmen einfach ignoriert. Jetzt, da sich die ausweglose Situation in Afghanistan deutlich abzeichnet und unzählige Tote später, sollte man erwarten, dass man sich der Meinung aussen stehender öffnet und gemeinsam nach Alternativen zu der untauglichen Strategie sucht. Doch die Politik ist nach wie vor nicht willens, auf die Argumente der Kriegsgegner zu hören.

Wie kommt es, dass rationale Menschen sich mit irrationalen Entscheidungen so sehr in ausweglose Situationen manövrieren, dass sie trotz besseren Wissens nicht mehr von ihrem einmal eingeschlagenen Weg abweichen können? Die Antwort darauf gab Allan I. Teger seinen Studenten der Psychologie an der University of Pennsylvania schon im Jahr 1970.

Als während des Vietnamkriegs die gleichen Argumente vorgebracht wurden, suchte er nach einem anschaulichen Beispiel für mögliche Eskalations-Mechanismen und demonstrierte dieses seinen Studenten anhand eines Experimentes.

Jeder seiner Studenten konnte auf einen Dollarschein bieten. Der höchstbietende würde den Dollar erhalten. Allerdings gab es eine Zusatzregel, deren fatale Auswirkung die Teilnehmer meist erst zu spät erkannten: Auch das zweithöchste Gebot musste bezahlt werden, ohne jedoch etwas dafür zu erhalten.

Die Studenten boten zunächst alle fleissig mit. 10 Cent zu Beginn, dann 20, 30, 40, 50, 60 Cent. Bei 70 Cent bemerkten viele die Gefahr der Zusatzregel und stiegen aus. Die beiden höchstbietenden aber befanden sich mitten in einer ausweglosen Situation.

Das höchste Gebot von 90 Cent versprach zwar immer noch ein gutes Geschäft. Für den Bieter mit dem zweithöchsten Gebot hätte dies allerdings 80 Cent Verlust bedeutet. Deshalb bot er einen Dollar. So würde er zwar nichts gewinnen, aber er hätte auch keinen Verlust. Für den anderen Bieter hätte dies wiederum den Verlust von 90 Cent bedeutet. Bei einem Gebot von 1,10 Dollar würde er – falls der andere nicht mehr mitbieten sollte – einen Dollar erhalten. Er würde nur 10 statt 90 Cent verlieren. Also bot auch er weiter.

Die beiden befanden sich in einer Zwickmühle, der sie ohne Verlust nicht mehr entkommen konnten. Und jedes weitere Gebot verschlimmerte die Situation. Was am Anfang nach einer einfachen, ungefährlichen Gewinnmöglichkeit aussah, endete im verzweifelten Versuch, nur noch irgendwie als «Gewinner» aus der Sache herauszukommen. Egal wie hoch der Verlust zum Ende auch sein mochte.

Gleicher Krieg, keine Argumente

Dieses Beispiel zeigt, wie schnell eine unterschätzte Situation eskalieren kann, wenn man erst einmal mittendrin steckt. Die Studenten boten zum Teil bis zu 20 Dollar, um am Ende nicht als Verlierer dazustehen.

Im gleichen Dillemma stecken heute die Verantwortlichen für den Krieg in Afghanistan. Sie glauben, für einen Abzug schon zu viele Leben geopfert zu haben. Und so hoffen sie auf ein Wunder, das die vielen Toten doch noch irgendwie rechtfertigen könnte, wenn sie nur lange genug im Feindesland bleiben.

Doch das Verhältnis der möglichen Kosten (Menschenleben) zu einem möglichen Nutzen (Frieden) verschlechtert sich ab Eintritt in einen nicht zu gewinnenden Krieg mit jedem Tag. Das ändert sich auch nicht, wenn man einfach noch einige Jahre lang weitere Menschen in die Schlacht wirft. Im Gegenteil. Die einzige Möglichkeit, den erlittenen Verlust nicht noch zu vergrössern, ist der sofortige Abzug.

Aus diesem einfachen Grund darf und kann das vorgebrachte Argument – trotz allem Verständnis für die Hinterbliebenen – keine Kriegsverlängerung rechtfertigen. Ein Umdenken ist dringend nötig.

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Thema: Gesellschaft, Mensch, Politik | Kommentare (0) | Autor:

Afghanistan 2011, ein gefährliches Experiment

Freitag, 9. Juli 2010 16:21

Bis im Sommer 2011 wollen die USA mit dem Abzug der Truppen aus Afghanistan beginnen. Auch der deutsche Aussenminister Westerwelle kündigt an, im kommenden Jahr mindestens eine Provinz an die einheimischen Sicherheitskräfte übergeben zu wollen. Dies sollte uns eigentlich alle freuen. Soldaten wie Pazifisten.

Man muss sich allerdings fragen, warum die afghanischen Sicherheitskräfte nach all den Jahren voller Rückschläge ausgerechnet jetzt in der Lage sein sollten, in Ihrem Land für Ordnung zu sorgen. Und dies nicht nur in Anbetracht der dilettantischen Ausbildung der Soldaten.

Ein Land, viele Mächte

Die Sprachprobleme dürften noch das geringste Problem sein. Man kann sich bis heute kaum darauf verlassen, dass alle in diesen neuen Truppen zu den «guten» gehören. Wer immer damit gemeint sein mag. Oder darauf, dass alle die gleiche Vorstellung von einer einheitlichen Nation und Rechtsstaat haben. Wie auch? Zu gross ist das Land. Zu verschieden die Stämme, Glaubensrichtungen, Ideologien. Und zu verworren die Geschichte und die Interessen US-legitimierter und anderer Machthaber.

Wären sich die einheimischen Machthaber einig über eine gerechte Regierungsbildung, wäre eine schwache oder instabile Armee kein grosses Problem. Schliesslich müsste diese nur gegen äussere Feinde für Schutz und Sicherheit der Bevölkerung sorgen. Vieles lässt aber darauf schliessen, dass die grösste Gefahr für die Stabilität des Landes von Innen ausgeht. Die Machtverteilung beruht nach wie vor eher auf Clan-Zugehörigkeit, Verwandtschaft, Waffengewalt und Terror, denn auf demokratischen Verhältnissen. Der Abzug der Truppen 2011 könnte einmal mehr den Rückfall in die Zeiten vor der amerikanischen Intervention bedeuten. Eine schlechte Ausbildung kann so gesehen sogar nützlich sein. Es ist aber keine gute Idee, die zukünftigen Bürgerkriegsgegner mit moderner Technik auszustatten und ohne Kontrolle zurück zu lassen.

Eine mutige Frau riskiert ihr Leben für ihr Volk

Einen Einblick in die explosive politische Situation in diesem riesigen Land bietet Malalai Joya – eine junge Frau, die sich gegen die Kriegsherren auflehnt – in ihrem Buch «Ich erhebe meine Stimme». Man fühlt sich unweigerlich an die Situation nach dem Abzug der Sowjets erinnert. Kriegsherren teilen das Land untereinander auf. Wo man sich nicht einig wird, droht oder herrscht schon Gewalt.

Bis zu einer Demokratie, wie sie den Amerikanern und ihren Verbündeten vorschwebt, wird es noch ein weiter, steiniger Weg sein. Sofern sie sich überhaupt erreichen lässt. Malalai Joya, selber Abgeordnete des ersten demokratischen Parlaments, entging mehreren Attentaten und lebt deshalb im Untergrund. Man kann für das Afghanische Volk nur hoffen, dass die Situation vor Ort sich bis 2011 komplett verändert.

Mein Buchtipp für jeden, der sich für dieses Land aus dem Blickwinkel einer Frau aus dem Volk interessiert:

«Ich erhebe meine Stimme – Eine Frau kämpft gegen den Krieg in Afghanistan» von Malalai Joya.

ISBN 978-3-492-05277-1

Interessantes Videomaterial über Malalai und ihr Wirken gibt es auch auf youtube.

Thema: Buchtipps, International, Politik | Kommentare (0) | Autor: