Tag-Archiv für » Toleranz «

Das Recht (auf das Recht) auf ein Minarett

Freitag, 25. Juni 2010 9:58

Dank der Libyen-Affäre und dem armseligen Hickhack in Bundesbern hatten wir für eine Weile wohltuende Ruhe vor der Minarett-Debatte. Doch seit vorgestern Mittwoch ist es auch schon wieder vorbei mit dem religiösen Frieden.

Strassburg, die Demokratie und der Glaube

Seit der Europarat in Strassburg die Schweiz auffordert, das Bauverbot für Minarette aufzuheben, ist in Helvetistan von neuem die christlich-direktdemokratische Hölle los. Kaum ausgesprochen, melden sich einige überpatriotische Schweizer polternd zu Wort. Und werfen munter alles, was irgendwie nach undemokratischem Europa und diktatorischer EU klingt in einen grossen, blubbernden Topf.

Respekt an dieser Stelle übrigens für Daniel Caduff unbekannterweise, der im 20Minuten-Forum alles gibt, Sinn, Zweck und Möglichkeiten des Europarates zu erklären.

Neben dem EU-Bashing, ist in verschiedenen Foren aber vor allem wieder die Religion und ihre Symbole das beherrschende Thema, das neu aufgerollt werden will. Beziehungsweise, wie das Fondue von gestern, aufgewärmt. Man streitet zäh über den fremden Glauben und argumentiert «Wir haben demokratisch abgestimmt, basta» mit der eigenen direkten Demokratie. Zwei Wertesysteme, die sich übrigens ähnlicher sind, als man auf den ersten Blick denken würde.

Man braucht kein Minarett für den Glauben

Tatsächlich haben das religiöse und das gesellschaftliche Selbstverständnis bei näherer Betrachtung einige Gemeinsamkeiten. Eines davon liegt in der reinen Kraft der Symbolik eines unbedingten Rechtes.

Viele Minarettgegner begründen Ihr Stimmverhalten damit, dass selbst viele Muslime nicht unbedingt auf den Bau eines Minaretts bestehen. Und sie fragen: «Wenn die meisten sowieso kein Minarett bauen wollen, warum sollten wir es dann nicht verbieten dürfen?». Man könnte natürlich genauso gut die Gegenfrage stellen: «Wie viel Sinn hat ein Verbot, wenn die Mehrheit sowieso nicht bauen will?». Wie auch immer die Frage formuliert wird, die Schlussfolgerung, dass ein Verbot aus genanntem Grund nichts schadet, ist einmal mehr zu wenig weit gedacht.

Zwischen dem Recht auf Ausübung und der Ausübung dieses Rechtes gibt es einen wichtigen Unterschied.

Fragt man Muslime, finden diese das Fehlen eines Minaretts tatsächlich meist weniger schlimm, als es in einigen Medien dargestellt wird. Wäre dem nicht so, hätten wir schon vor der Abstimmung hunderte dieser Türmchen in unserem Land stehen gehabt. Das heisst aber nicht, dass sie damit auch freiwillig auf das Recht für den Bau eines Minaretts verzichten wollen.

Ein Widerspruch? Im Gegenteil.

Man braucht keine Volksinitiative für eine direkte Demokratie

Wagen wir doch einmal einen kurzen, vergleichenden Blick auf unser demokratisches Selbstverständnis. Was macht für uns eine richtige Demokratie aus? Was unterscheidet diese von den anderen rund um uns herum? Und warum erscheint sie uns so überlegen und schützenswert?

Was für eine Frage, werden Sie sagen. Zunächst einmal sind wir freie, mündige Bürger. Wir entscheiden, was in unserem Land zu geschehen hat und was nicht. Wir bestimmen dank Wahl- und Stimmrecht den Weg unseres Landes. Jeder einzelne mit seiner Stimme. Ausserdem können wir selber eine Veränderung anstossen, indem wir eine Volksinitiative starten. Das kann sonst keiner. Wir haben die beste, weil direkte Demokratie. Das unterscheidet uns von anderen demokratischen Staaten.

Eine kurze Zwischenfrage: «Werden Sie denn auch jemals selber eine Volksinitiative lancieren? Nein? Dann stimmen Sie mir sicher zu, dass man diese ohne weiteres abschaffen könnte, wenn die Mehrheit sowieso…» Auch nein? Hhhmmm.

Die meisten von uns werden ihr ganzes Leben lang keine eigene Volksinitiative lancieren. Trotzdem gehört für uns das Recht darauf untrennbar zu unserer Vorstellung der besten aller besten Staatsformen. Allein die Möglichkeit aktiv mitzuwirken gibt uns das Gefühl, ein Teil des Ganzen zu sein. Würde man uns dieses Recht nehmen, wäre unsere Demokratie nicht mehr das, was sie ausmacht. Wir würden bei einem drohenden Verbot oder der Abschaffung zu Recht auf die Barrikaden steigen.

Ein glücklicher Mensch…

Wir sind nicht bereit, freiwillig auf unser – für die meisten rein symbolisches – Recht auf eine Volksinitiative zu verzichten. Genau so, wie ein Muslim nicht auf sein – für die meisten rein symbolisches – Recht auf ein Minarett verzichten möchte.

Geben wir doch den Gläubigen das symbolische, da theoretische, Recht auf ihr Minarett zurück. Und das praktische und konkrete überlassen wir im Einzelfall wie früher wieder den betroffenen Gemeinden. Hat doch bisher gut geklappt und allen war damit gedient. Inklusive dem religiösen Frieden in unserem kleinen Land. Denn ein ein zufriedener Mensch ist ein glücklicher Mensch ist ein friedlicher Mensch.

Flattr this

Thema: Gesellschaft, Mensch, Politik, Schweiz | Kommentare (1) | Autor:

Aufruf zur öffentlichen Distanzierung

Sonntag, 23. Mai 2010 14:17

Haben Sie sich heute schon von aktuellen und möglichen zukünftigen Aussagen politisch oder auf andere Art aktiver Extremisten distanziert? Nicht nur öffentlich und persönlich, sondern auch stellvertretend für Ihr näheres Umfeld?

Es gibt immer einen Grund zur Entschuldigung

Sie müssen weder Extremist noch Mitglied einer rechten oder linken Partei sein. Es reicht, wenn Sie etwas konservativ sind. Oder einen Marx im Bücherregal stehen haben. Dann sollten Sie sich zu jeder öffentlichen Äusserung von links oder rechts sofort erklären. Vielleicht auch stellvertretend für Ihre Generation. Auf jeden Fall aber, wenn Sie christliche Werte hochhalten. Oder einmal an einem ersten Mai an einer friedlichen Demo teilnahmen. Und sicherheitshalber, falls Sie einem Turnverein oder Schrebergärtnerverein aktiv sind. Sicher ist sicher.

Würden wir uns für alles verantwortlich fühlen, was auch nur entfernt mit uns und unserem Umfeld in Verbindung gebracht werden könnte, hätten wir bald nichts anderes mehr zu tun, als uns zu erklären. Für Dinge, die mit unserem Leben und unserer Einstellung direkt nichts zu tun haben.

Und doch erwarten und fordern wir dieses Verhalten zunehmend von Muslimen, Arabern und Migranten aus sogenannten Islamischen Ländern. Weil ein Konvertit sich zum Sprachrohr der Muslime ernennt und gerne öffentlich seine persönliche Meinung vertritt. Selbst ein weltoffener Zeitgenosse fragte kürzlich: «Warum distanzieren die sich nicht einfach?»

Mit ein Grund für diese stetige Forderung nach Erklärung und Distanzierung ist auch die mediale Berichterstattung.

Drei von fünf Freitagspredigten für heikel befunden

Wenn Unverständnis und Schuldzuweisungen das kulturelle Klima vergiften, ist jede ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema, die zum friedlichen Zusammenleben der Kulturen und Religionen in unserem Land beiträgt, begrüssenswert. Doch allzu oft lässt es die Berichterstattung an Ausgewogenheit fehlen.

So berichtete das Schweizer Fernsehen Anfang April 2010 in der Tageschau über einige ausgewählte Prediger und präsentierte lieber einige schwarze Schafe, anstatt ein ausgewogenes Bild der religiösen Gemeinschaften aufzuzeigen. Dies zeigt schon die Wahl des Titels «Drei von fünf Freitagspredigten heikel» während man dann im Bericht bei genauerem hinhören erfährt, dass von den 200 Moscheen in der Schweiz gezielt die fünf einschlägig bekannten für eine Übersetzung des Freitagsgebets ausgesucht wurden. Von dieser ausgesuchten Auswahl wurden dann drei Predigten als heikel bezeichnet. Was dann richtig formuliert «Drei von 200 Freitagspredigten heikel» lauten müsste. Aber «drei von fünf» klingt besser. Und wie so oft verleiten solche Zahlen – ob gewollt, oder nicht – zu Missverständnissen. In diesem Fall zur Annahme, dass 3/5 aller Freitagspredigten, anders gesagt über die Hälfte, oder in Zahlen 120 von 200, zu beanstanden seien.

Dass von dieser Auswahl dann die offenbar schlimmsten Ausschnitte der Predigten wie die Aussage, «Wenn du deine Blicke [vor der Entblössung] nicht senkst, wirst du zum Anhänger von Satan» als ideologisch heikel eingestuft wurden, würde ich sehr wohlwollend formuliert als eher einseitig bezeichnen. Zumal man den Zusammenhang zwischen «Fleischeslust» und «Versündigen» auch im christlichen Glauben kennt. Aber achten Sie einfach selber im Bericht unvoreingenommen auf den Wortlaut und ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse zu der Gefährlichkeit des Inhaltes.

Wenn das die gefährlichsten Aussagen waren, können wir wohl wieder ruhig schlafen.

Die Basis für den Tagesschaubericht und viele undifferenzierte öffentlichen Bezugnahmen in den folgenden Wochen liefert übrigens die DOK-Sendung «Hinter dem Schleier» von Karin Bauer. Leider hat sie es in den drei Monaten Recherche nicht geschafft, auch nur im Ansatz zwischen Religion, Ideologie, Kultur, Ethnie und Nationalität zu unterscheiden. Man beachte die Vermischung, beziehungsweise Gegenüberstellung, von Religion/Ideologie und Nationalität, die sich durch die ganze Sendung zieht. Auf der einen Seite die Bösen, oft konvertierte Radikale, auf der anderen Seite die Guten, in diesem Fall junge Türken, die ihre Religion etwa so ernsthaft praktizieren, wie der durchschnittliche Schweizer sein Leben nach der Bibel ausrichtet.

Wer also muss sich hier in der Schweiz von extremistischen Fundamentalisten distanzieren? Araber? Wenn ja, welcher Nationalität? Oder Muslime? Falls ja, welcher religiösen Strömung? Oder alle Konvertiten? Auch hier: welcher religiösen Richtung? Und wie sieht es mit atheistischen Muslimen aus? Auch das gibt es.

Pflicht zur Entschuldigung für alle oder niemanden

Wenn wir von jedem Moslem ernsthaft für jedes Fehlverhalten einer kleinen Gruppe eine persönliche Distanzierung oder Entschuldigung einfordern, um die Guten von den Bösen unterscheiden zu können, sollten auch wir damit beginnen, uns zu erklären.

Entschuldigen wir uns zunächst öffentlich – und zwar jeder einzeln an einer Demo, im Fernsehen, in der Zeitung und im Internet – bei den Aids-Waisen in Afrika für die Päpste und anderen Kirchenvertreter für ihre Haltung zu Kondomen und Verhütung trotz Aids/HIV. Distanzieren wir uns danach von Freikirchlern, die öffentlich zum gemeinsamen Gebet für die «Genesung» von Homosexuellen aufrufen. Und weil wir gerade dabei sind, entschuldigen wir uns auch gleich noch für unsere Politiker von links bis rechts, die zur eigenen Profilierung jeden Andersdenkenden verunglimpfen, beschimpfen und die Schweiz im Ausland in ein schlechtes Licht bringen.

Oder wir hören einfach damit auf, ganze Bevölkerungsgruppen für die Aussagen einzelner verantwortlich zu machen. Denn wie so oft ist die Welt nicht so einfach, wie wir das gerne hätten.

Wer etwas entspannter mit dem fremden Glauben umgehen will, kommt nicht darum herum, sich ein bisschen mit der Geschichte der Religionen zu beschäftigen.

Mein Buchtipp für alle, die sich einen Überblick über die Entwicklung der Religionen und das Zusammenspiel von Religion, Ideologie, Kultur, Ethnie und Nationalität verschaffen wollen: «Heilige Einfalt – Über die politischen Gefahren entwurzelter Religionen» von Olivier Roy. Klingt reisserischer als es ist. Aber auch einfacher, als man es sich manchmal wünschen würde. Brummender Kopf garantiert.

ISBN 978-3-88680-933-2

Viel Spass beim lesen.

Flattr this

Thema: Buchtipps, Gesellschaft, Mensch, Politik, Schweiz | Kommentare (0) | Autor:

Weisheiten – Über den Umgang

Mittwoch, 31. März 2010 10:10

«Respekt ist der empathische Bruder der Toleranz.»

Patrick

Thema: Weisheiten | Kommentare (0) | Autor: