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Völkchen hör die Signale

Montag, 18. Oktober 2010 19:48

Immer wenn eine weltweite Krise den Erdball erschüttert und den zufrieden schlummernden Bürger kurzzeitig aus seinem friedlichen Nickerchen reisst, bricht für eingefleischte Vertreter unterschiedlichster Ideologien die lange ersehnte Jetzt-machen-wir-es-richtig-Zeit an.

Man beeilt sich allerecken, dem verunsicherten Bürger längst begraben geglaubte Feindbilder der eigenen Weltsicht einzukloppen. Denn wenn der Ideologe eines über die Psyche des Bürgers weiss, dann, dass dieser sich – kurz brummend – allzu schnell in sein neues Schicksal einmummelt. Also hopp, Knüppel aus dem Sack.

Heuschrecken und Raubtier-Kapitalisten

Da meine fundierte Meinung über ausländer- und menschenfeindliche Problemlösungsansätze aus der dort-wo-der-Daumen-links-ist Ecke inzwischen hinreichend bekannt sein dürfte, richte ich heute mal ein persönliches und gutgemeintes Wörtchen an unsere Aktivisten aus dem Farbspektrum von 650-750 Nanometer Wellenlänge.

Ich stimme euch zu: Niemandem steht ein Gehalt (oder Boni, oder wie man die geschickte Umgehung von Regeln auch gestaltet haben mag) in Höhe von mehreren Millionen Batzen zu. Und natürlich sollten wir es nicht einfach hinnehmen, wenn selbsternannte Brains jede gerade noch so legale aber für die Gemeinschaft schädliche Möglichkeit für die Gewinnmaximierung nutzen und mit der Hilfe unzähliger Pinkys die Weltherrschaft anstreben.

Man beachte jedoch: Die angeprangerten Bösewichte setzen mit ihrem Tun nur konsequent die innerhalb unseres Wirtschaftssystems an sie gestellten Anforderungen um. Maximaler Gewinn für den Konzern.

Der Souverän sind wir – L’Économie c’est moi

Die durch egoistische Gene, Testosteron oder was auch immer verursachte Jagd nach Gewinn und Macht mag zugegebenermassen unschöne, bisweilen unethische Begleiterscheinungen haben. Doch wo echte demokratische Gegenkräfte am Werk sind, wird das labile Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen immer wieder aufs neue hergestellt.

Heikel wird es erst, wo marktwirtschaftliche Theorien auch die Politik bestimmen. Wenn Wirtschaftsvertreter, die für gewöhnlich nach weniger Staat rufen, vorgeben, die Interessen der Gesellschaft besser als diese selber vertreten zu können und zu diesem Zweck einen Abstecher in die Rolle des staatsliebenden Politikers machen.

Und schwupps – schon sind wir ohne Knüppelschwingerei beim eigentlichen Problem.

Drum trenne, was sich ewig widerspricht

Der politischen Macht der Wirtschaftvertreter und deren Lobbyisten muss die (unvermummte) Stirn geboten werden, da sind wir uns einig. Aber es bringt nichts, wenn ihr es im Politplanschbecken einfach den marktwirtschaftlichen Poolpinklern gleichtut und zurückpinkelt. Auch wenn es wohlig warm sein mag. Die kennen nichts, wechseln kurzzeitig in ihr anderes, sauberes Becken und kehren nach einigen Litern Kaffee gutgelaunt wieder zurück.

Es nützt auch nichts, gegen «die da oben» zu poltern, nachdem wir es zugelassen haben, dass «die da oben» aus der Wirtschaft auch «die da oben» in der Politik wurden. Schlussendlich poltert ihr damit auch gegen «die da oben» euch selber. Man weiss ja schon gar nicht mehr, welcher Teufel vor wichtigen Wahlen und Abstimmungen welche Advokaten frisst.

Kein Wunder macht der Bürger seit Jahren zwischen «denen da oben» aus Wirtschaft und« denen da oben» aus Politik keinen Unterschied mehr. Und «die da oben machen», wie man so hört «sowieso was sie wollen.»

Der Demokratie neues Leben einhauchen

Solange der Souverän sich eher mit dem eingedeutschten lateinischen Begriff identifiziert als mit der Gesellschaft, wird er diesen nicht mehr zur Urne bewegen. Dann ist komplett Essig mit direkter Demokratie.

Dabei bräuchte es gar nicht viel, den solcherart verschnupften Patienten weg vom Essigwickel zu den notwendigen, aber vielleicht schmerzhafteren Therapien zu bewegen. Er muss nur Risiken und Nebenwirkungen im Kleingedruckten richtig einordnen können. Und dafür sollte er wissen, wer Arzt und wer Pharmakonzern ist.

Oder um es ohne Schlenker durch die Verpackungsbeilage zu sagen: Die Politik muss wieder zu einem echten, erkennbaren Gegenpol zur Wirtschaft werden.

Yin und Yang

Keine Sorge lieber Leser ausserhalb der linken Sphäre. Das soll keinesfalls die Einführung des Kommunismus, Sozialismus, der Planwirtschaft oder anderer Geister vergangener Zeiten bedeutet. Es geht nur um eine einfache, aber strikte Trennung der Vertreter von gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen. Um gemeinsam einen starken und gleichzeitig sozialen Staat zu pflegen.

Eine solche Zweiteilung wird natürlich nicht ohne ein Umdenken stattfinden können, weil damit auch eine Neubewertung unserer Werte einher gehen muss. Wie viel ist uns beispielsweise die Arbeit für unser aller Wohl wert? Sind wir bereit, Politiker auf jeder Ebene für ihren Einsatz wie in der Wirtschaft zu bezahlen?

Sicher ist, ein Politiker, der sich ausschliesslich für die Gesellschaft einsetzt und sich nicht von der Wirtschaft abhängig macht, braucht auch sein täglich Brötchen. Allerdings – und das könnte den einen oder anderen, der schon den Taschenrechner hervorgekramt hat, wieder beruhigen – es dürften aus zwei einfachen Gründen eher kleinere Brötchen sein.

1. Wer viel verdienen will und sich zwischen Politik und Wirtschaft entscheiden muss, wählt die Wirtschaft. Das ist gut so. Denn die Wirtschaft braucht ja gerade diejenigen, denen der Profit das wichtigste Kriterium für ihren Arbeitseinsatz ist.

2. Wer sich für die Politik als Betätigungsfeld entscheidet, braucht kein dickes Konto. Wie man heute schon sieht, sind unzählige Idealisten bereit, sich für wenig Geld, wenn nicht gar im Ehrenamt, für die Gesellschaft einzusetzen. Die Bezahlung für einen solchen Politiker soll sogar möglichst niedrig gehalten werden, um nicht die Falschen anzuziehen.

Dies gilt im Übrigen auch für Bundesräte. Die könnte man dann (in diesem Fall würde ich sogar meine Meinung ändern) auch gleich durch das Volk wählen lassen.

Nicht überzeugt?

Zu einem solchen Modell des Ausgleichs gibt es natürlich noch unzählige weitere Gedanken und Begründungen.

Wenn Sie, lieber Leser Lust auf ein tiefer gehendes Gespräch haben, ich bin dabei. Am liebsten von Angesicht zu Angesicht. Egal ob es Sie eher zur Wirtschaft oder zur Gesellschaft ziehen würde.

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Thema: Gesellschaft, Mensch, Politik, Schweiz | Kommentare (0) | Autor: