Sonntag, 20. Juni 2010 21:36
Am 15. Juli 2008 nahm die Genfer Polizei den Sohn des libyschen Staatschefs Hannibal Ghadhafi wegen des Verdachts der Misshandlung zweier Hausangestellter vorübergehend fest. Kurz darauf wurden die beiden Schweizer Rachid Hamdani und der Landeschef von ABB Max Göldi in Libyen verhaftet. Der Beginn eines zähen Seilziehens
Was steckt hinter dem Bückling?
Zwei Jahre lang wurde in der Folge munter persönliche Eitelkeiten auf beiden Seiten mit politischen und wirtschaftlichen Fragen vermischt. Viel wurde in den Medien und am Stammtisch über die Hintergründe spekuliert.
Ob der Einsatz der Genfer Polizei in dieser Härte gerechtfertigt war, lässt sich ohne Untersuchung wohl nicht abschliessend beantworten. Dass die Veröffentlichung der Polizeifotos in der «Tribune de Genève» zumindest nicht sehr Klug und Wasser auf die Mühlen der Libyschen Regierung war, darüber brauchen wir nicht weiter zu diskutieren.
Aber müssen deshalb gleich zwei unserer Bundesräte persönlich vorstellig werden und sich bei dieser Gelegenheit für die Behandlung entschuldigen?
Ghadhafi und die Geheimdienste
Als man aus Tripolis vernahm, die Schweiz plane eine militärische Befreiungsaktion, sah dies die Öffentlichkeit höhnisch als weiteren Hinweis auf den Wahn des libyschen Herrschers. Doch wie man inzwischen weiss, war sein Geheimdienst besser informiert, als die Schweizer Bevölkerung. Und wie es scheint, auch besser als die Mehrheit des Bundesrates.
Wobei man spätestens seit der Tinner-Affäre mindestens ahnen kann, dass auch die Schweiz im geheimen weit aktiver ist, als man annehmen möchte. Und dass der Bundesrat der Bevölkerung nicht immer alles freiwillig auf die Nase. bindet
Zwei unbeantwortete Fragen
Nachdem nun auch Max Göldi wieder zuhause ist, finden scheibchenweise neue Informationen den Weg an die Öffentlichkeit. Mindestens ein weiterer Schweizer soll sich in die Schweizer Botschaft gerettet und dank den Bemühungen des EDA schliesslich ein libysches Ausreisevisum erhalten und Libyen Ende Oktober 2008 verlassen haben. Dies, während weitere Schweizer offenbar komplett unbehelligt blieben.
Da mich bei einem Konflikt immer auch die Ursachen interessieren, beschäftigen mich seit der Verhaftung zwei Fragen, die in der Folge der Entwicklungen der Krise untergingen.
1. Warum wurden ausgerechnet Rachid Hamdani und Max Göldi zurückgehalten?
Sollte die Antwort «Weil die beiden leider wirklich kein gültiges Visum hatten» lauten, ergibt sich daraus die nächste Frage.
2. Wie kommt es, dass zumindest im Fall von Max Göldi sein Arbeitgeber, ein international tätiger Konzern mit 117.000 Mitarbeitenden in rund 100 Ländern, nicht in der Lage ist, gültige Visa für seine Mitarbeiter zu besorgen?
Die ABB äussert sich am 14. Juni 2010 auf Ihrer Homepage offenbar zu genau diesen Fragen folgendermassen «Dies muss vor dem Hintergrund diplomatischer Spannungen zwischen Libyen und der Schweiz gesehen werden.» und weiter «trat er [Max Göldi] eine Gefängnisstrafe für ein angebliches Vergehen gegen die Visa-Bestimmungen an.»
Falls dies der Fall ist, stellt sich erneut die Frage «Warum ausgerechnet Göldi?»
Man darf auf den weiteren Verlauf der Geschichte gespannt sein.