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Journal 21 hat Geburtstag

Samstag, 10. September 2011 9:44

Heute feiert Journal 21 – das Schweizer Internetportal mit journalistischem Mehrwert – seinen ersten Geburtstag.

Na dann: Herzlichen Glückwunsch

und danke für die zahlreichen interessanten Artikel, Hintergrundberichte und Analysen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft.

Wir sind gespannt auf die nächsten 2000 Texte.

Thema: Bildungslücken, Digital, Schweiz | Kommentare (0) | Autor:

Arbeitsmarkt April 2011

Freitag, 6. Mai 2011 14:47

Die neuen Arbeitslosenzahlen des SECO sind da. Und wie fast immer in den vorangegangenen Monaten, lassen sie den einen oder anderen Nicht-Rechner noch optimistischer in die Zukunft schauen.

Nichts neues aus Bundesbern

Die positiven Meldungen aus der SECO Pressedokumentation klingen heute so: Ende April 2011 waren 11’457 Arbeitslose weniger bei den RAV eingeschrieben, als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote sank damit von 3,4% im März 2011 auf 3,1% im Berichtsmonat. Das ist der tiefste Wert seit Jahren. Was aber wie im März erwähnt in erster Linie mit den bis zu 16.000 Ausgesteuerten zu tun haben dürfte.

Weiter heisst es: Gegenüber dem Vorjahresmonat verringerte sich die Arbeitslosigkeit um 35’122 Personen (-22,1%). Nicht schlecht. Satte 22,1 Prozent. Was jedoch wie im Februar besprochen unter anderem mit den überdurchschnittlich hohen Arbeitslosenzahlen Anfang 2010 zu tun hat.

An dieser Stelle sei mir eine kurze Randnotiz erlaubt. Wäre die offizielle Arbeitslosenzahl seit letztem Monat unverändert geblieben, hätte sie sich gegenüber dem Vorjahresmonat dennoch um 23.665 Personen verringert. Das wäre dann immerhin noch ein beachtliches Minus von 14,9%. Oder anders ausgedrückt: Hätten sich im April 2011 23.665 Menschen – also ein dickes, reales Plus von 17,5% im Vergleich zum März 2011 – neu bei den RAV angemeldet, wäre die Arbeitslosenquote gegenüber dem Vorjahresmonat rechnerisch stabil geblieben.

Aber was sehen meine müden Augen?

Für einmal gibt es auch erfreuliches zu berichten. In der offiziellen Zusammenfassung werden die positiven Zahlen ein wenig relativiert: «Neben konjunkturellen und saisonalen Komponenten wirkten sich im April zusätzlich auch Effekte aus dem Inkrafttreten der AVIG-Revision aus. Wir schätzen den Effekt der Änderungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz auf den Arbeitslosenbestand im April auf rund 4‘500 Personen.»

Da steht doch tatsächlich – wenn auch etwas verschleiert – an prominenter Stelle ein Wort zu den Ausgesteuerten im offiziellen SECO-Dokument. Immerhin. Ein Anfang ist gemacht.

Noch ein Wunder?

Erfreuliches geschieht auch im Online-Blätterwald. Einige Journalisten haben bemerkt, dass die Pressedokumentation weit mehr Informationen hergibt, als die kurze und damit ungenaue Zusammenfassung. Plötzlich erscheinen die Ausgesteuerten auch in der Berichterstattung einiger Medien im Rampenlicht.

Wobei die Änderung des Blickwinkels auch aus anderen Gründen erfolgen könnte. So verspricht beispielsweise die Schlagzeile «Statistik-Trick drückt Arbeitslosenquote» (nach der zweiten Aktualisierung des Textes nun «Leistungskürzung drückt Arbeitslosenquote») mehr Skandälchen. Und damit mehr Traffic.

Doch dazu demnächst mehr.

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Thema: Arbeitsmarkt, Gesellschaft, Politik, Schweiz | Kommentare (0) | Autor:

Weisheiten – Über Gratisinformationen

Freitag, 6. Mai 2011 13:36

«Für <all you can eat> muss der Körper zahlen. Für <all you can read> der Geist.»

Frank Schirrmacher über Gratisinformationen im Web.

Thema: Digital, Gesellschaft, Weisheiten | Kommentare (0) | Autor:

Mehr Flüchtlinge – Mehr Gewalt

Donnerstag, 3. März 2011 16:52

Am 2.3.2011 orakelt der Online-Tagesanzeiger in fetter Überschrift:

Decken Sie sich also sicherheitshalber umgehend mit Notvorrat für mehrere Jahre ein, verstecken Sie Ihr Geld unter der Matratze, holen Sie die Kinder rein und verrammeln Sie sämtliche Fenster und Türen.

Kausalität scheint schneller als man denkt

Bevor Sie jedoch die Selbstschussanlage in Betrieb nehmen, wollen wir gemeinsam kurz den erklärenden Text unter der Schlagzeile untersuchen und uns ein eigenes Urteil statt eines möglichen Vorurteils bilden. Sicher ist sicher. Vielleicht ist es ja doch nicht ganz so schlimm. Hören wir genau hin:

«Laut Killias [Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Zürich] hat Zürich eine ähnliche Erfahrung Ende der 90er-Jahre gemacht, als Tausende von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Schweiz kamen. Damals stiegen vor allem die Gewaltdelikte an. Zeigen lässt sich das an der Gewaltstudie der Suva, der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt. Zwischen 1997 und 2005 verdreifachten sich <Unfälle> durch Gewalteinwirkung wie Rauferei, Streit, Überfall und kriminelle Handlungen bei jungen Männern.»

Wir kombinieren Haarscharf:

Mehr Flüchtlinge => Mehr Gewaltdelikte

Spätestens jetzt – nachdem wir die offensichtlichste kausale Verknüpfung gemeinsam hergestellt haben – rennt der mehrheitskompatible Leser auf schnellstem Holzweg zu seiner Hochsicherheitswohnung. Er hat es geahnt. Wenn nicht gar gewusst.

Klingt ja auch alles ganz plausibel und wird offenbar von einem Professor bestätigt. Aber werden hier tatsächlich Ursache und Wirkung abgebildet?

Nein. Zumindest nicht unbedingt. Die Aussagen «…stiegen vor allem die Gewaltdelikte…» und «…verdreifachten sich <Unfälle> durch Gewalteinwirkung…» benennen keine konkrete Täterschaft und lassen keinen zwingenden Schluss wie den oben gezogenen zu. Alles was man aus diesem Abschnitt ableiten kann – sofern die herangezogenen Statistiken stimmen – lautet: In den 90er-Jahren gab es mehr kriminelle Handlungen UND es kamen mehr Flüchtlinge. Das kann, muss aber keinesfalls bedeuten: In den 90er-Jahren gab es mehr kriminelle Handlungen WEIL mehr Flüchtlinge kamen.

Niemand würde ähnlich schnelle Rückschlüsse ziehen, wenn in einer anderen (hypothetischen) Statistik stünde, dass sich in den 90er-Jahren (parallel zu mehr Flüchtlingen) beispielsweise der Umsatz der Schweizer Juweliere verdoppelt hat. Oder die Gletscher in dieser Zeit überdurchschnittlich stark schmolzen.

Drum prüfe, wer was komisch findet

Ohne Angabe der genauen statistischen Quellen* ist es für den Leser unmöglich, sich ein unvoreingenommenes Urteil zu bilden. Trotzdem haben wir schon nach einem kurzen Blick auf den Text eine vermeintlich durch Fakten untermauerte Einsicht gewonnen. «Flüchtling» und «Kriminalität» scheinen einfach zu verlockend logisch zusammen zu hängen.

Die Meinung ist gemacht und schon wird fleissig mit möglicherweise verzerrten bis falschen Fakten Argumentiert, bis die Verknüpfung sich auch im letzten Kopf festgesetzt hat. Die Konsequenz für die Flüchtlinge aus Nordafrika kann man ausformuliert im oben verlinkten Forum des Tagi-Beitrages nachlesen: Nordafrika > Ausländer > junge Männer > alles Betrüger > Gewalt > Schweiz > Grenzen dicht > ist nicht mein Problem.

Genau deshalb sollten wir bei behaupteten oder angedeuteten kausalen Zusammenhängen immer besonders genau hinschauen und die Aussagen auf ihre Plausibilität prüfen. Meist ergibt sich beim zweiten Blick ein anderes Bild, als das zunächst offensichtlich scheinende.

Bringen Sie also die Kinder wieder raus und sehen Sie der möglichen Ankunft von Flüchtlingen gelassen entgegen.

Nicht alle Verzerrungen und Verwischungen sind so offensichtlich, wie in diesem Beispiel. Manche scheinen auch nach dem zweiten Blick noch logisch. Falls Sie sich für die vielfältigen Möglichkeiten der Manipulation interessieren, mein Buchtipp für einen unterhaltsamen Einstieg in die Welt der Statistik:

«Lügen mit Zahlen – Wie wir mit Statistiken manipuliert werden»
Gerd Bosbach und Jens Jürgen Korff
ISBN: 978-3-453-17391-0

* Die genauen Statistiken wurden trotz zweifacher Nachfrage im Tagesanzeiger-Forum nicht genannt. Die Frage wurde Ignoriert und im Forum nicht publiziert.

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Thema: Buchtipps, Fragen, Schweiz | Kommentare (2) | Autor: