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Die Verhüllung und die Zivilisation

Mittwoch, 5. Mai 2010 20:46

Es hat zwar etwas länger gedauert, als gedacht, aber nun ist sie da: Die Burka-Diskussion. Und wie vermutet, liegen die Begründungen für ein Verbot wieder irgendwo zwischen den Extremen «Schutz unterdrückter Frauen» und – schon nach zwei Tagen Palaver wieder gehört – «Wäre alles kein Problem, wenn eine Burka nicht ein Zeichen der schleichenden Islamisierung wäre.»

Ich möchte mich hier losgelöst von der religiösen Frage auf zwei der zahlreichen kulturell zu beantwortenden Fragen beschränken. Fragen, die seit Jahren die Islam-Diskussion erhitzen, ohne eine sachliche Antwort zuzulassen.

«Warum wollen die sich nicht anpassen?» und «Weshalb sollten wir die Verhüllung bei uns akzeptieren, wenn wir uns in islamischen Ländern anpassen müssen?»

Ich weiss, dass viele Schweizer sich nicht mit fremden Kulturen und deren Befindlichkeiten auseinandersetzen wollen. Schliesslich sind ja nicht wir die Fremden. Deshalb präsentiere ich hier ein kleines Gedankenspiel, welches sich an unserer heimischen, christlich geprägten Vorstellung von Sittlichkeit orientiert.

Stellen wir uns also folgendes vor

Wir leben in einem Kulturkreis mit der uns bekannten Kleiderordnung. Nennen wir uns daher der Einfachheit halber «Kleiderländer». In einer anderen Ecke unseres Planeten lebt ein Volk von Nudisten. Nennen wir diese «Nacktländer». Was passiert, wenn diese beiden Völker aufeinandertreffen?

Begeben wir «Kleiderländer» uns zu den «Nacktländern», werden diese wohl von uns verlangen, uns unserer Kleider zu entledigen. Unsere Erziehung und Schamgefühl lassen dies aber nicht so ohne weiteres zu. Zu tief hat uns unsere christliche Kultur geprägt. Vielleicht wären wir bereit, uns maximal bis auf eine Badehose oder einen Bikini auszuziehen. Das wäre aus unserer «Kleiderländer»-Sicht nur zu verständlich. Diese Weigerung hätte kaum einen religiösen Hintergrund. Geschweige denn, dass wir das fremde Land dadurch «Kleidungisieren» wollten. Es ist einfach unsere Kultur. Unsere Erziehung.

Und wie würde es im umgekehrten Fall aussehen? Stellen wir uns vor, die «Nacktländer» würden ganz selbstverständlich hüllenlos durch unsere Städte und Einkaufszentren spazieren. Wie schnell wäre wohl die Polizei da? Erregung öffentlichen Ärgernisses. Sofort anziehen oder mitkommen. Nicht weil wir die andersartigen «Nacktländer» hassten. Einfach nur, weil unser kulturelles Selbstverständnis das Nacktsein in der Öffentlichkeit verbietet. Schliesslich gehört sich das bei uns einfach nicht.

Ich glaube, dieses Beispiel kann man problemlos in die reale Welt übertragen. Um eine zusätzliche Kleiderschicht verschoben, werden aus «Nacktländern», «Kleiderländer» – also wir – und aus den «Kleiderländern» werden «Kopftuchländer». Oder anders gesagt, Menschen Islamischer Herkunft.

Wenn wir das Verschleierungs-Thema erst einmal aus dieser Sicht betrachten, können wir vielleicht auch wieder sachlich diskutieren. Und mit den religiösen Aspekten von Burka, Niqab, Hijab etc befassen wir uns dann gesondert.

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Thema: Gesellschaft, Mensch, Politik, Schweiz | Kommentare (0) | Autor:

Integration durch kulturellen Austausch

Donnerstag, 15. April 2010 16:09

Praktisch jede Diskussion zum Thema Migration führt früher oder später zur Forderung nach Integration. So weit, so legitim. Sofern damit nicht nur die Anstrengung des anderen gemeint ist. Integration ohne Interaktion und Kommunikation führt in eine Sackgasse. Es braucht den Willen auf beiden Seiten.

Man wird ja auch nicht vollwertiges Mitglied einer Fussballmannschaft, indem man die Spieler imitiert und etwas ähnliches wie Fussball in der nähe des Klubs spielt. Oder dadurch, dass man ein ähnlichfarbenes Trikot trägt wie die Spieler. Man muss mitspielen können. Und dürfen. Und es braucht natürlich auch mal eine Flanke von den Mitspielern, damit das Spiel in Gang kommt.

Wenn Aussenstehende zwar mitspielen sollen, aber nicht dürfen, sollte man sich nicht wundern, wenn sie sich wieder ihrem eigenen Spiel widmen. Kricket, oder was man sonst so in der Heimat kennt.

Will heissen: Wer Integration oder gar Assimilation fordert, ohne sich selber an diesem Prozess beteiligen zu wollen, verhindert die erfolgreiche Umsetzung seiner Forderung gleich selber. Dabei wäre – und ist – die berechtigte Forderung mit wenig Aufwand und ein bisschen Interesse einfach zu verwirklichen.

Aus diesem Grund möchte ich heute ein kleines, aber erfolgreiches Projekt vorstellen. Seit Anfang 2007 bietet Diwan, das Orientalische Kulturzentrum in Zürich, Schweizern und Zugezogenen aus arabischen Ländern Raum für Begegnung. Im Rahmen des gut besuchten „Arabic Speaking Club“ trifft man sich ein- bis zweimal pro Monat zu einem gemischten, geselligen Abend mit einem bunt gemischten Programm.

Das jeweilige Thema des Abends führt immer zu einem regen Austausch mit Menschen der anderen Kultur. Das fördert das Verständnis auf beiden Seiten. Ohne riesige Bürokratie. Und ohne Zwangsmassnahmen.

Wer sich für diese Art von Austausch interessiert, findet alle Informationen auf der Homepage des Kulturzentrums. Und wer weiss, vielleicht gibt es bald weitere kleine und interessante Programme aus der Bevölkerung. Zu wünschen wäre es.

Thema: Gesellschaft, Mensch, Zürich | Kommentare (0) | Autor: