Beiträge vom 8. Juni 2010

Anti-Terror-Spezialisten aus der Schweiz?

Dienstag, 8. Juni 2010 20:34

Die Schweiz ist eine neutrale, friedliebende Demokratie. Dies zeigt sich auch dadurch, dass die gsoa – Gruppe für eine Schweiz ohne Armee – mit ihren Volksinitiativen immer wieder beachtliche Erfolge verbuchen kann.

Ein grosser Teil der Stimmberechtigten hält wenig bis nichts von einer direkten oder indirekten Beteiligung an Kriegen. Egal in welcher Form.

Alles legal. Also kein Problem.

Weniger Probleme mit ethisch/moralischen Fragen scheint die Politik zu haben. Anders kann ich mir das Desinteresse auf eine Anfrage von Geri Müller vom 5.10.2004 im Nationalrat nicht erklären. In seiner Interpellation wollte er erfahren, wie der Bundesrat zu Berichten über organisierte Antiterror-Trainings in einem Camp in unserem Land steht.

In der Antwort vom 17.11.2004 sieht der Bundesrat kein Problem für die Tätigkeit der betreffenden Firma. Zum einen, weil «die Bestimmungen der Genfer Konventionen sich an kriegführende Parteien [richten], nicht an private Firmen, die mit der Ausbildung von Personenschützern befasst sind». Zum anderen, weil «in der Schweiz bisher keine geschäftliche Niederlassung [der Firma besteht]»

Die Diskussion im Nationalrat wurde am 17.12.2004 verschoben und am 6.10.2006 «Abgeschrieben, weil seit mehr als zwei Jahren hängig». Entsprechend war «der Urheber: nicht befriedigt». Man kann von Geri Müller und seinen Beweggründen halten, was man will. Seine Anfrage war im Grundsatz berechtigt. Erst recht nach dem Abschreiber vom 6.10.2006. Beziehungsweise, zwei Monate danach.

Ein Zertifikat als Türöffner im internationalen Söldnerwesen?

Am 21.11.2006 erfolgte der Eintrag eben dieser Firma ins Handelsregister. Laut Handelsregistereintrag dient der Zweck der Gesellschaft der Erbringung von Ausbildungsleistungen im In- und Ausland, hauptsächlich im Sicherheitsbereich. Aber auch die weltweite Vermittlung von Sicherheitsspezialisten und Handel mit Gegenständen im Bereich der Sicherheit, sowie noch einiges mehr, über dessen Zulässigkeit – egal ob legal oder nicht – man durchaus geteilter Meinung sein kann.

Glaubt man dem Kriegsreporter und ehemaligen Berufsoffizier bei der Deutschen Bundeswehr, Franz Hutsch, ist ein Zeugnis dieser Firma die Eintrittskarte ins Söldnergeschäft. Ein Türöffner für gutbezahlte «Jobs» in Irak und Afghanistan, wie Besucher dieser Kurse ihm bei der Recherche für sein Buch berichtet haben sollen. Und es ist nicht von der Hand zu weisen: Man kann den weit gefassten Zweck der Firma durchaus so verstehen.

Akzeptieren wir also in unserem neutralen Land die Ausbildung für Kampfeinsätze rund um die Welt?

Vielleicht sollte man noch einmal anfragen

Es ist schwer zu sagen, wie weit man den Schilderungen von Franz Hutsch trauen soll. Und was man unter «Personenschutz» alles verstehen darf, wenn dieser auch in Kriegsgebieten stattfindet. Aber auch so stellt sich die Frage, ob eine Einrichtung für die Ausbildung ausländischer «Spezialisten» im Sinne unserer Neutralität sein kann. Unabhängig von Nationalität und Herkunft des Gründers einer solchen Einrichtung.

Ich würde mir eine öffentliche Debatte wünschen.

Mehr über das boomende Geschäft mit Sicherheit und die Auswirkungen, die zunehmend auch den zivilen Bereich erfassen, vermittelt das Buch «Blackwater» von Jeremy Scahill. Das Thema aus deutscher Sicht (mit Vorsicht zu geniessen) bearbeitet Franz Hutsch in «Exportschlager Tod»

Meine Buchtipps:

«Blackwater – der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt», Jeremy Scahill
ISBN 978-3-88897-512-7

«Exportschlager Tod – Deutsche Söldner als Handlanger des Krieges», Franz Hutsch
ISBN 978-3-430-20072-1

Thema: Buchtipps, Gesellschaft, Politik, Schweiz | Kommentare (0) | Autor: