Kleider machen halbe Leute

Bäcker, Polizisten, Manager, Geistliche, Handwerker. Alle zeigen uns mit ihrer Kleidung, wer sie sind. Beziehungsweise, was wir glauben sollen, wer sie seien. Selbst der Nudist. Der eine führt uns anhand getragenem Blütenweiss seinen berufsbedingten Hygienefimmel vor Augen. Der andere demonstriert durch eine martialisch anmutende Kampfmontur mit allerlei dunklem Besteck am Gurt und in den Taschen seine Macht und Stärke. Und einer trägt weisse Socken. Warum auch immer.

Eine stillschweigende Vereinbarung

Wir alle kennen das Spiel mit Kleidung und Persönlichkeit aus eigener Erfahrung. Wir spielen mit und lassen uns spielen, damit das Leben seinen geregelten Gang gehen kann. Tagsüber unterstreichen wir mit Arbeitskleidung unsere berufliche Kompetenz. Abends brezeln wir uns für die Party auf, damit man uns ganz schön schön oder zumindest ganz schön interessant findet. Und wenn wir zu wild feiern, bringen wir den anrückenden Berufsverkleideten den nötigen Respekt entgegen.

Aber der gewählte Kleidungsstil samt Accessoires macht noch keine ganze Persönlichkeit aus. Neben den beliebig austauschbaren stofflichen Statussymbolen und der beachtlichen Manipulationskraft lernbarer Körpersignale, beeinflussen auch naturgegebene Faktoren unsere Wahrnehmung. Ausstrahlung und überdurchschnittliche Körpergrösse zum Beispiel wirken sich sowohl auf den Marktwert als Single, als auch auf die Chancen auf eine Bilderbuchkarriere aus.

Auch eine perfekte Silhouette ist einem erfolgreichen Berufs- wie Liebesleben nicht abträglich. Wer kann, lässt deshalb hinbiegen und schnippeln was geht, damit die Fremdwahrnehmung wieder schmeichelt.

Unscheinbare Manipulatoren mit Folgen

Bei diesem weit verbreiteten Hang zum optischen Wohlgefallen geht gerne mal der unterschwellige Einfluss anderer wichtiger Faktoren unter, die genauso sehr wie visuelle Reize Ihre Wirkung entfalten. Wie in «Naming – oder Wortwitz-Overkill» schon besprochen, lösen auch Namen Assoziationen aus. Dies erfahren heute vor allem Jugendliche mit einer ic-Namensendung auf Lehrstellensuche. Auch ein Verdienst einiger Schweizer Christophe.

Sie werden kaum abstreiten, dass auch Sie einen Peter Süssli (die folgenden Personen gibt es wirklich) irgendwie süss finden. Vor allem, wenn er passenderweise auch noch gelernter Konditor / Confiseur ist. Und für den Schreiner Andreas Klemm würde mindestens ein heimliches Kichern als Trinkgeld rausspringen, wenn Sie Ihre verzogenen Holztüren oder –schubladen zum richten brächten.

Etwas länger müssten Sie vielleicht vor der Entbindung bei der Entscheidung für einen der beiden – sicherlich kompetenten – Gynäkologen und Geburtshelfer Dr. med Andrei Drakul oder Dr. med Peter Messerli nachdenken. Es sei denn, Sie hätten sich schon für einen Kaiserschnitt entschieden.

Ob man will oder nicht, jeder Name hat eine Wirkung. Wir neigen dazu, einer Person unbewusst Attribute wie «Liebenswert» und «Fleissig», aber auch «Unfähig» und «Gefährlich» zuzuweisen. Dies ist für die Betroffenen mal schmeichelhaft, mal weniger. Aber für einen Erwachsenen kein grösseres Problem. Gut möglich, dass sich der eine oder andere der oben erwähnten – ich hoffe nicht alle – sogar erst durch den Namen zur Berufswahl inspirieren liess.

Ein kleiner Test

Was für den Nachnamen im positiven wie im negativen gilt, gilt erst recht für den Vornamen, der weit emozionaler besetzt ist und sehr eng mit der eigenen Persönlichkeit verknüpft wird.

Lesen Sie bitte das folgende Wort in Klammern, schliessen Sie dann die Augen und kategorisieren Sie das Gefühl zu dem Wort als angenehm, neutral oder unangenehm. Danach die Augen wieder öffnen nicht vergessen, damit wir uns weitere Gedanken zu unserem kleinen Test machen können. Also obacht:

«HUGO»

Würden Sie mit einem Träger dieses Namens Zeit verbringen wollen? Ihren Wohnungsschlüssel anvertrauen? Eine Arbeit geben?

Falls Sie einen Hugo kennen, wird sich das Gefühl für den unbekannten Hugo vermutlich an Ihren Erfahrungen mit dieser Person orientieren. Also netter Hugo, angenehme Erinnerung. Nerviger Hugo, unangenehme Erinnerung. Kennen Sie keinen Hugo, stellt sich wahrscheinlich trotzdem unbewusste ein Bild samt Einschätzung der Person hinter diesem Namen ein. Mit weit reichenden Konsequenzen für den wirklichen Hugo.

Kevin, Noah, Chiara und Schackeliine

Es lässt sich kaum vermeiden, dass wir einer neuen Bekanntschaft allein anhand ihres Namens unbewusst ihren Platz in unserer Sympathieschublade zuordnen. Selbst wenn niemand in unserem direkten Bekanntenkreis den entsprechenden Namen trägt.

Man denke an «Ueli der Knecht» und «Ueli der Pächter». Das klingt altbacken, konservativ, nach Landwirtschaft. Ein Ueli kommt vom Land und hat wenig mit der grossen, weiten Welt am Hut.

Unser «BrUM» – Bundesrat Ueli Maurer – scheint diese Einschätzung als ehemaliger Geschäftsführer einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbandes und Präsident des Verbandes Schweizerischer Gemüseproduzenten zu bestätigen. Und holt damit das Vorurteil aus der heilen, verstaubten Heimatfilmwelt in die äusserst reale Gegenwart.

Diese Verknüpfung funktioniert auch in die Gegenrichtung. Während ein Name unsere Wahrnehmung bestimmen kann, beeinflusst auch die Umgebung die Namensgebung. Zum Beispiel, wenn Eltern aus einer ländlichen Gegend ihren Kindern einen zu diesem Umfeld passende Namen geben. Oder wenn sich eine Mutter wegen einer frisurtechnischen Ähnlichkeit zu den Lausbuben – sprich heute schwererziehbare Jugendstraftäter – aus Heinrich Christian Wilhelm Busch’s Werk inspirieren lässt. Wie Mami Leuenberger die Namenswahl für Ihren Sohn in einem Interview einmal erklärt haben soll.

So gesehen liegen wir mit unserer spontanen Einschätzung also vielleicht doch gar nicht immer so falsch.

Deshalb eine Bitte, liebe zukünftige Eltern. Wenn Sie sich vorgenommen haben, für Ihren Nachwuchs nur das Beste zu wollen, vergessen Sie nicht, auch etwas Zeit in den Namen zu investieren. Ihr Kind muss sich später auch als Kevin, Noah, Chiara oder Schackeliine im Leben behaupten. Und nicht jeder mit einem vorbelasteten Namen kann Bundesrat werden.

Autor:
Datum: Montag, 31. Mai 2010 15:33
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