Beiträge vom 7. April 2010

Auf den Standort kommt es an

Mittwoch, 7. April 2010 7:07

Sommer, Sonne, See. Schon stehen, gehen, schlurfen, schleichen und tänzeln sie wieder. Und werden ahnungslosen Passanten zum Verhängnis. Wer hin und wieder an der Seepromenade nähe Bellevue entlang schlendert, ahnt, wovon ich spreche.

Pantomimen.

Viele Spaziergänger schauen dem Treiben offenbar gerne zu. Ich zog es jedoch schon immer vor, am Seeufer einfach nur den schönen Tag zu geniessen. Ohne Clownerien. Ohne Menschenauflauf. Es wird also kaum jemanden verwundern, dass ich zum sommerlich partiellen Kunst- und Kulturbanausen wurde.

Doch kürzlich stiess ich auf eine Bildungslücke. Genauer, auf einige Buchseiten über Antanas Mockus, einen Professor für Philosophie und Mathematik, der in das Amt des Bürgermeisters der kolumbianischen Hauptstadt Bogota gewählt wurde. Politisch unerfahren, dafür mit unorthodoxen Ideen gesegnet. Wie zum Beispiel jener, die zur Verbesserung der chaotischen Verkehrssituation führen sollte. In einer Millionenstadt wie Bogota, wo sich die überwiegende Mehrheit nicht an die Strassenverkehrsordnung gebunden fühlte, ein akutes Problem.

Nicht jedoch für den neuen Bürgermeister. Der hatte schon einen Plan und tat sogleich das einzig Sinnvolle: Er stellte an den meistbefahrenen Kreuzungen geübte Pantomimen auf. Erst eine kleine Gruppe. Später weitere 400. Ohne Waffen. Ohne Recht, Bussen zu verteilen. Aber als begabte Schauspielschüler um keine Parodie verlegen.

Man kann sich das heitere Spektakel rund um die Kreuzungen vorstellen. Wie sich die Massen auf der Strasse über die parodierten Verkehrssünder amüsierten. Und so kam es, dass schon nach wenigen Monaten 75 Prozent aller Fussgänger brav vor roten Ampeln stehen blieben. Von anfänglich 26 Prozent. Will ja keiner für einige eingesparte Sekunden mit Hohn und Spott seiner Mitmenschen überzogen werden. Kurz: Ein voller Erfolg.

Ich finde, das hat was.

Das, liebe weisse Freunde, hat Potential. Und könnte auch was für Zürich sein. Also auf zum Zürcher Stadtrat. Vorschlag unterbreiten. Danach zur Kreuzung statt zum See. Dann könnte auch ich mich wohl an dieser Kunstform erfreuen. Wenn ich nicht gerade in Eile bin.

(Antanas Mockus hat natürlich noch einiges mehr für seine Stadt erreicht. Ende seiner Amtszeit 2004 soll zum Beispiel die Zahl der Morde in Bogota um 70 Prozent gefallen sein. Das aber nur am Rande.)

Thema: Bildungslücken, Gesellschaft, Politik, Schweiz, Zürich | Kommentare (0) | Autor: