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Kooperation vs. Konkurrenz

Montag, 21. November 2011 10:12

«Wir brauchen die Besten der Besten» lautet das Wirtschafts-Mantra jeweils in Krisenzeiten. Und passend dazu die öffentliche Meinung über Menschen, die sich – ohne finanziellen Anreiz – aktiv für eine bessere Gesellschaft einsetzen: «Diese Schmarotzer sollen sich besser eine Arbeit suchen».

Kein Wunder ignoriert die Öffentlichkeit bei dieser Einstellung jede Forderung nach einem gerechteren Gesellschaftssystem von eben jenen «faulen, dummen Schmarotzern», denen man schlicht jegliche Wirtschafts-Kompetenz abspricht.

Was aber, wenn an der Spitze von Wirtschaft und Politik nicht wie stets betont die kompetentesten und fähigsten, sondern in erster Linie lediglich die kämpferischsten Köpfe sitzen? Müssten nicht gerade dann in einer Krise diejenigen klugen Köpfe aufsteigen, die im Interesse der Gemeinschaft auf Konsens- statt auf Konkurrenzdenken und den eigenen Vorteil setzen?

Nicht unbedingt, wie eine möglicherweise wahre Begebenheit veranschaulicht.

Das Tischtennis-Gleichnis

Zwei Drittklässler – nennen wir sie «Ich» und «der Andere» – nehmen in den Schulferien an einem freiwilligen Tischtenniskurs teil. Ziel ist es, die Technik zu verfeinern.

Nach einigen Übungsstunden stellt der Trainer eine Videokamera auf. Zwei Kinder sollen jeweils miteinander einen lockeren Ballwechsel spielen, um danach auf dem Videoband zwecks Verbesserung gemeinsam die Technik zu analysieren.

Zweierteam für Zweierteam spielen sich die Schüler die Bälle zu.

Auch Ich und der Andere stellen sich einander gegenüber an den Tisch.

Trainer: «Kamera läuft. Und los.»

Ich serviert. Ein Bilderbuchaufschlag. Der Andere reagiert prompt. Schmetterball. Eins zu null. Wenn denn gezählt würde.

Ich: «He! Schön spielen.»
Der Andere: «Ist doch schön. Mein Punkt»
Trainer: «Also nochmal von vorn. Und los.»

Ich serviert. Bilderbuchaufschlag. Der Andere reagiert. Schmetterball. Zwei zu null.

Ich: «Mann…»
Der Andere: «Mein Punkt»
Trainer: «Nochmal von vorn. Und los.»

Ich serviert. Bilderbuchaufschlag. Der Andere reagiert. Schmetterball. Drei zu null.

Natürlich trägt der Andere den vermeintlichen Sieg nach dem Kurs mit Stolz nachhause. Schlimm ist nicht, dass der Andere glaubt, er hätte das Spiel gewonnen. Schlimm ist auch nicht, dass der Andere glaubt, Ich hätte das Spiel verloren.

Schlimm ist, dass der Andere damit nicht nur sich, sondern auch seinen Mitspieler um die Analyse des Spiels und damit um eine Verbesserung der eigenen Technik brachte.

Und natürlich, dass er von Neid spräche, würde man ihn darauf hinweisen.

In anderen Worten: wer im Interesse aller Beteiligten kooperiert, verliert, wenn auch nur einer nicht mitzieht. Mit ein Grund, weshalb viele gute Leute gar nicht erst in Konkurrenz treten.

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Thema: Gesellschaft, Mensch, Wirtschaft | Kommentare (0) | Autor:

Journal 21 hat Geburtstag

Samstag, 10. September 2011 9:44

Heute feiert Journal 21 – das Schweizer Internetportal mit journalistischem Mehrwert – seinen ersten Geburtstag.

Na dann: Herzlichen Glückwunsch

und danke für die zahlreichen interessanten Artikel, Hintergrundberichte und Analysen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft.

Wir sind gespannt auf die nächsten 2000 Texte.

Thema: Bildungslücken, Digital, Schweiz | Kommentare (0) | Autor:

Ihr Buchtipp

Sonntag, 27. Februar 2011 9:50

Haben Sie hier unter «Buchtipps» etwas spannendes entdeckt? Ja? Super. Nein? Schade. Aber bleiben Sie doch trotzdem noch einen Augenblick hier.

Vielleicht können Sie ja anderen Bücherwürmern einen interessanten Tipp geben. Solchen, denen es ähnlich geht, wie dem Schreibenden.

Man steht in einem seiner Lieblingsbuchläden – nicht dem ersten an diesem Tag –  vor einem riesigen Regal und denkt: Was soll es denn heute sein?

Philosophie, Psychologie, Verhaltensökonomie, Hirnforschung, Neuromarketing, Kultur, Religion, Politik, Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaft, Zeitgeschehen, Internet, Informationsgesellschaft, Statistik, Wahrscheinlichkeit und Zufall? Oder zur Abwechslung mal was ganz anderes? Nur was?

Und hier kommen Sie ins Spiel.

Egal, ob Sie die Interessen des Autors teilen oder nicht. Teilen Sie uns doch den Titel Ihres absoluten Lieblingsbuches mit. Ganz einfach via Kommentar-Formular. Am besten mit ISBN und Begründung. Um unser Spektrum zu erweitern, die Suchzeit zu verkürzen und ärgerliche Fehlgriffe zu minimieren.

Danke für die Tipps. Und wie immer, viel Spass beim Lesen.

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Frage des Tages – Religion und Armut

Donnerstag, 20. Januar 2011 9:35

Sind viele tief religiöse Gemeinschaften arm, weil sie ihren Glauben leben oder sind viele arme Gemeinschaften religiös, weil sie in Armut leben?

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Weisheiten – Über das falsche System

Dienstag, 30. November 2010 9:58

«Ich weiss, dass das System falsch ist. Bei uns in der Wirtschaft  sieht das ein Blinder. Aber ich diene dem falschen System mit Hingabe. Denn im Rahmen des falschen Systems, dem ich mein bescheidenes Talent zur Verfügung stelle, sind die falschen Massnahmen naturgemäss richtig, und die richtigen sind begreiflicherweise falsch. Ich bin ein Anhänger der eisernen Konsequenz, und ich bin ausserdem … ein Feigling.»

Handelsredakteur Malmy, in Erich Kästners Roman Fabian

Thema: Gesellschaft, Weisheiten, Wirtschaft | Kommentare (0) | Autor:

Völkchen hör die Signale

Montag, 18. Oktober 2010 19:48

Immer wenn eine weltweite Krise den Erdball erschüttert und den zufrieden schlummernden Bürger kurzzeitig aus seinem friedlichen Nickerchen reisst, bricht für eingefleischte Vertreter unterschiedlichster Ideologien die lange ersehnte Jetzt-machen-wir-es-richtig-Zeit an.

Man beeilt sich allerecken, dem verunsicherten Bürger längst begraben geglaubte Feindbilder der eigenen Weltsicht einzukloppen. Denn wenn der Ideologe eines über die Psyche des Bürgers weiss, dann, dass dieser sich – kurz brummend – allzu schnell in sein neues Schicksal einmummelt. Also hopp, Knüppel aus dem Sack.

Heuschrecken und Raubtier-Kapitalisten

Da meine fundierte Meinung über ausländer- und menschenfeindliche Problemlösungsansätze aus der dort-wo-der-Daumen-links-ist Ecke inzwischen hinreichend bekannt sein dürfte, richte ich heute mal ein persönliches und gutgemeintes Wörtchen an unsere Aktivisten aus dem Farbspektrum von 650-750 Nanometer Wellenlänge.

Ich stimme euch zu: Niemandem steht ein Gehalt (oder Boni, oder wie man die geschickte Umgehung von Regeln auch gestaltet haben mag) in Höhe von mehreren Millionen Batzen zu. Und natürlich sollten wir es nicht einfach hinnehmen, wenn selbsternannte Brains jede gerade noch so legale aber für die Gemeinschaft schädliche Möglichkeit für die Gewinnmaximierung nutzen und mit der Hilfe unzähliger Pinkys die Weltherrschaft anstreben.

Man beachte jedoch: Die angeprangerten Bösewichte setzen mit ihrem Tun nur konsequent die innerhalb unseres Wirtschaftssystems an sie gestellten Anforderungen um. Maximaler Gewinn für den Konzern.

Der Souverän sind wir – L’Économie c’est moi

Die durch egoistische Gene, Testosteron oder was auch immer verursachte Jagd nach Gewinn und Macht mag zugegebenermassen unschöne, bisweilen unethische Begleiterscheinungen haben. Doch wo echte demokratische Gegenkräfte am Werk sind, wird das labile Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen immer wieder aufs neue hergestellt.

Heikel wird es erst, wo marktwirtschaftliche Theorien auch die Politik bestimmen. Wenn Wirtschaftsvertreter, die für gewöhnlich nach weniger Staat rufen, vorgeben, die Interessen der Gesellschaft besser als diese selber vertreten zu können und zu diesem Zweck einen Abstecher in die Rolle des staatsliebenden Politikers machen.

Und schwupps – schon sind wir ohne Knüppelschwingerei beim eigentlichen Problem.

Drum trenne, was sich ewig widerspricht

Der politischen Macht der Wirtschaftvertreter und deren Lobbyisten muss die (unvermummte) Stirn geboten werden, da sind wir uns einig. Aber es bringt nichts, wenn ihr es im Politplanschbecken einfach den marktwirtschaftlichen Poolpinklern gleichtut und zurückpinkelt. Auch wenn es wohlig warm sein mag. Die kennen nichts, wechseln kurzzeitig in ihr anderes, sauberes Becken und kehren nach einigen Litern Kaffee gutgelaunt wieder zurück.

Es nützt auch nichts, gegen «die da oben» zu poltern, nachdem wir es zugelassen haben, dass «die da oben» aus der Wirtschaft auch «die da oben» in der Politik wurden. Schlussendlich poltert ihr damit auch gegen «die da oben» euch selber. Man weiss ja schon gar nicht mehr, welcher Teufel vor wichtigen Wahlen und Abstimmungen welche Advokaten frisst.

Kein Wunder macht der Bürger seit Jahren zwischen «denen da oben» aus Wirtschaft und« denen da oben» aus Politik keinen Unterschied mehr. Und «die da oben machen», wie man so hört «sowieso was sie wollen.»

Der Demokratie neues Leben einhauchen

Solange der Souverän sich eher mit dem eingedeutschten lateinischen Begriff identifiziert als mit der Gesellschaft, wird er diesen nicht mehr zur Urne bewegen. Dann ist komplett Essig mit direkter Demokratie.

Dabei bräuchte es gar nicht viel, den solcherart verschnupften Patienten weg vom Essigwickel zu den notwendigen, aber vielleicht schmerzhafteren Therapien zu bewegen. Er muss nur Risiken und Nebenwirkungen im Kleingedruckten richtig einordnen können. Und dafür sollte er wissen, wer Arzt und wer Pharmakonzern ist.

Oder um es ohne Schlenker durch die Verpackungsbeilage zu sagen: Die Politik muss wieder zu einem echten, erkennbaren Gegenpol zur Wirtschaft werden.

Yin und Yang

Keine Sorge lieber Leser ausserhalb der linken Sphäre. Das soll keinesfalls die Einführung des Kommunismus, Sozialismus, der Planwirtschaft oder anderer Geister vergangener Zeiten bedeutet. Es geht nur um eine einfache, aber strikte Trennung der Vertreter von gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen. Um gemeinsam einen starken und gleichzeitig sozialen Staat zu pflegen.

Eine solche Zweiteilung wird natürlich nicht ohne ein Umdenken stattfinden können, weil damit auch eine Neubewertung unserer Werte einher gehen muss. Wie viel ist uns beispielsweise die Arbeit für unser aller Wohl wert? Sind wir bereit, Politiker auf jeder Ebene für ihren Einsatz wie in der Wirtschaft zu bezahlen?

Sicher ist, ein Politiker, der sich ausschliesslich für die Gesellschaft einsetzt und sich nicht von der Wirtschaft abhängig macht, braucht auch sein täglich Brötchen. Allerdings – und das könnte den einen oder anderen, der schon den Taschenrechner hervorgekramt hat, wieder beruhigen – es dürften aus zwei einfachen Gründen eher kleinere Brötchen sein.

1. Wer viel verdienen will und sich zwischen Politik und Wirtschaft entscheiden muss, wählt die Wirtschaft. Das ist gut so. Denn die Wirtschaft braucht ja gerade diejenigen, denen der Profit das wichtigste Kriterium für ihren Arbeitseinsatz ist.

2. Wer sich für die Politik als Betätigungsfeld entscheidet, braucht kein dickes Konto. Wie man heute schon sieht, sind unzählige Idealisten bereit, sich für wenig Geld, wenn nicht gar im Ehrenamt, für die Gesellschaft einzusetzen. Die Bezahlung für einen solchen Politiker soll sogar möglichst niedrig gehalten werden, um nicht die Falschen anzuziehen.

Dies gilt im Übrigen auch für Bundesräte. Die könnte man dann (in diesem Fall würde ich sogar meine Meinung ändern) auch gleich durch das Volk wählen lassen.

Nicht überzeugt?

Zu einem solchen Modell des Ausgleichs gibt es natürlich noch unzählige weitere Gedanken und Begründungen.

Wenn Sie, lieber Leser Lust auf ein tiefer gehendes Gespräch haben, ich bin dabei. Am liebsten von Angesicht zu Angesicht. Egal ob es Sie eher zur Wirtschaft oder zur Gesellschaft ziehen würde.

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Thema: Gesellschaft, Mensch, Politik, Schweiz | Kommentare (0) | Autor:

Blogger gegen Arbeitslosigkeit

Donnerstag, 30. September 2010 18:53

Über Arbeitslosigkeit lässt es sich vortrefflich schreiben. Und endlos, da sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt zwar verändert, aber nicht wirklich verbessert. Man dreht sich irgendwann im Kreis. Nicht zuletzt nach der Abstimmung zur ALV-Revision von letzter Woche.

Drum habe ich beschlossen, als Blogger selber einen bescheidenen Beitrag gegen die Arbeitslosigkeit und für Stellensuchende zu leisten.

Jeder von uns kennt in seinem erweiterten Bekanntenkreis jemanden ohne Stelle. Jemanden, der/die zwar etwas kann und auch bereit ist, die Ärmel hochzukrempeln, aber «nur» langjährige Erfahrung statt Ausbildung und Weiterbildungen anzubieten hat.

Oft Ausländer. Meistens ohne Zugang zu Netzwerken innerhalb wie ausserhalb des Internets.

Warum nicht die Reichweite des eigenen Blogs für diese Menschen zur Verfügung stellen? Kostet nicht viel Aufwand. Kann aber einiges bewirken.

Und Sie lieber Leser, können es mir gleich tun, wenn Sie selber einen Blog oder eine private Homepage betreiben. Wer weiss, wer von Ihren Lesern jemanden kennt, der jemanden kennt…

Nachmachen erlaubt. Freunden erzählen erwünscht. Auch auf Facebook. Wäre doch was, wenn auf jedem Blog ein «Blogger für Stellensuchende» zu finden wäre.

Den Anfang bei mir macht heute Mahendran, aus der Umgebung von Zürich. Weitere werden folgen.

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Thema: Arbeitsmarkt, Digital, Gesellschaft, Ideen, Mensch, Schweiz | Kommentare (2) | Autor:

Verrückte auf dem Podium

Samstag, 25. September 2010 23:11

«Pfui Teufel», sagte Labude, «unten Sadisten und oben Verrückte.» Es scheint, der Herr hat keine Freude an den beliebten Casting-Shows.

Auf der Bühne machte ein zwecklos vor sich hinlächelndes Mädchen Sprünge. Es handelte sich offenbar um eine Tänzerin. Sie trug ein giftgrünes selbstgeschneidertes Kleid, hielt eine Ranke künstlicher Blumen und warf sich und die Ranke in regelmässigen Zeitabständen in die Luft.

Das Publikum unterhielt sich laut und lachte. «Fräulein, Sie werden dringend am Telefon verlangt!» schrie ein glatzköpfiger Herr. Die anderen lachten noch mehr als vorher. Die Tänzerin liess sich nicht aus der Unruhe bringen und fuhr fort zu lächeln und zu springen.

Die Rhapsodie war zu Ende. Das Mädchen auf der Bühne hüpfte weiter, der Tanz war noch nicht aus. Schliesslich fand sie selber, es sei genug, landete in einem misslungenen Knicks, lächelte noch alberner als vorher und breitete die Arme aus.

Ein dicker Herr stand auf. «Gut, sehr gut! Sie können morgen zum Teppichklopfen kommen!» Das Publikum lärmte und klatschte. Das Mädchen knickste wieder und wieder. Da kam ein Mann aus der Kulisse, zog die Tänzerin, die sich heftig sträubte, von der Bühne und trat selber an die Rampe.

«War die Tanzdarbietung nicht geradezu ein Erlebnis? Aber es kommt noch besser. Jetzt schicke ich einen heraus der Paul Müller heisst. Er wird Ihnen eine Ballade vortragen.»

Aus dem Hintergrund nahte ein langaufgeschossener, ungewöhnlich blasser Mensch in abgerissener Kleidung. «Tag Müller!» brüllte man. Paul Müller verbeugte sich, zeigte herausfordernden Ernst im Gesicht, fuhr sich durch die Haare und presste dann die Hände vor die Augen. Er sammelte sich. Plötzlich zog er die Hände vom Gesicht fort, streckte sie weit von sich, spreizte die Finger, riss die Augen auf und sagte: «Die Todesfahrt – von Paul Müller»

In diesem Augenblick warf jemand aus dem Publikum ein Stück Würfelzucker auf die Bühne. Paul Müller bückte sich, steckte den Zucker ein und fuhr mit unheilvoller Stimme fort. Wieder warf jemand Zucker auf die Bühne. Andere Gäste folgten dem Beispiel, und allmählich kam ein Würfelzuckerbombardement zustande, dem Müller nur dadurch zu begegnen wusste, dass er sich dauernd bückte. Es entwickelte sich ein Balladenvortrag mit Kniebeugen. Auch mit aufgerissenem Mund versuchte Müller, den ihm zufliegenden Zucker aufzufangen. Heiterkeit im Publikum.

Sind solche Veranstaltungen eine typische Erscheinung unserer Zeit? Nicht ganz. Was Labude da erlebte, ist ein (von mir stark gekürzter) Ausschnitt aus der Geschichte des Moralisten Fabian aus dem gleichnamigen Roman von Erich Kästner. Aus dem Jahr 1931.

Man sieht, der Mensch hat sich in den letzten 80 Jahren nicht sonderlich weiterentwickelt. Nicht nur, was die Unterhaltung auf Kosten anderer betrifft.

Deshalb möchte ich heute ein Buch aus dem Antiquariat als Buchtipp anbringen. Ein Klassiker, mit Einblick in die Gesellschaft vor dem 2. Weltkrieg. Und zugleich ein Abbild unserer Zeit.

«Fabian – Die Geschichte eines Moralisten» von Erich Kästner

ISBN: 3-85535-909-1

Wie immer viel Spass beim Lesen.

Thema: Buchtipps, Gesellschaft, Mensch | Kommentare (0) | Autor:

Ein neues Projekt für soziales Engagement

Sonntag, 18. Juli 2010 14:36

Die Schweizer scheinen trotz Finanz- und Wirtschaftskrise ein grosses Herz und Geld für gute Taten übrig zu haben. Allein nach dem verheerenden Erdbeben auf Haiti 2010 hat die Bevölkerung 51,3 Mio. Franken für die Betroffenen gespendet. Ich bin sicher, viele der grosszügigen Spender würden sich auch ehrenamtlich für sinnvolle Projekte von Schweizer Hilfswerken einsetzen.

Die Idee eines «bezahlten Ehrenamtes»

Natürlich hat nicht jeder neben seinem Beruf die Zeit, sich längerfristig zu engagieren. Dies kann sich aber schlagartig ändern, wenn man die Arbeit verliert und es sich durch die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt abzeichnet, dass die Arbeitssuche etwas länger dauern könnte.

Warum in einer solchen Ausnahmezeit nicht die eigene Arbeitskraft für einen etwas tieferen Lohn zur Verfügung stellen und die Zeit mit einer Art sozialem Jahr überbrücken, statt beim Arbeitsamt anzuklopfen?

Ein geeignetes Einsatzgebiet zu finden sollte keine Schwierigkeiten bereiten. Die meisten der über 500 Hilfswerke mit ZEWO-Gütesiegel und unzählige weitere kleine gemeinnützige Vereine würden motivierte Mitarbeiter mit Handkuss nehmen. Tatkräftige Unterstützung ist immer gefragt. Und die möglichen Einsatzbereiche sind vielfältig:

Familie, Frauen, Kinder, Jugendliche, Senioren, Arbeitslosigkeit, Armut, Sozialprobleme, Sucht, Behinderung, Gesundheit, Krankheiten, Nothilfe, Humanitäre Hilfe, Katastrophenhilfe, Lebensrettung, Entwicklungszusammenarbeit, Flüchtlinge, Migration, Menschenrechte, Gefangenenfürsorge, Kultur, Bildung, Forschung, Technik, Ökologie, Umweltschutz, Sport, Freizeit.

Ein erster Versuchsballon

Im Jahr 2007, als gerade wieder über «faule Arbeitslose» und «integrationsunwillige Ausländer» hergezogen wurde, dachte ich zum ersten mal über diese Art einer Mischung aus Ehrenamt und bezahlter Arbeit nach. Für einen ersten Umsetzungsversuch sollten Erwerbslose die Möglichkeit erhalten, ihr berufliches Wissen und Talent in ein konkretes Integrationsprojekt für ausländische Mitbürger einzubringen. Ein Dienst an der Allgemeinheit bei gleichzeitigem Erwerb wertvoller Referenzen.

Blieb nur die Frage der Finanzierung. Wen könnte man um finanzielle Unterstützung bitten? Linke Gutmenschen? Rechte, die von Arbeitslosen mehr Einsatz, und von Ausländern Integration fordern? Liberale, die sich mit Investitionsfragen auskennen?

Die Wahl der politisch gut durchmischten Anfrage-Empfänger mit Vorbildfunktion lag auf der Hand: Unsere sieben Bundesräte. Also schrieb ich jeden einzelnen persönlich und als Privatperson folgendermassen (aus Datenschutzgründen gekürzt) an:

Sehr geehrte/r [Name Bundesrat]

Integration beginnt im Kleinen

Auch wenn die Politik sich um Lösungen im grossen Rahmen bemüht, findet die alltägliche Integration im Kleinen statt. Sei dies die Integration ausländischer Mitbürger in die Gesellschaft, oder die Eingliederung Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt.

Zum Beispiel hier

Ich bot den damaligen Bundesräten das oben erwähnte, in der Schweiz angesiedelte Projekt mit allen relevanten Informationen zur Unterstützung an. Das ganze beschränkt auf ein Hilfswerk, einen Kandidaten und ein Jahr.

Und das für wenig Geld

Ich bin überzeugt, die nachhaltige Integration von Erwerbslosen und Zugewanderten liegt Ihnen persönlich genauso am Herzen wie mir. Hier können Sie beides gleichzeitig mit relativ wenig Geld unterstützen.

Konkret für sage und schreibe insgesamt günstige 2.500 Franken Netto monatlich.

Und wenn Sie sich mit Ihren sechs Arbeitskollegen – die diesen Brief ebenfalls erhalten – zusammentun, wird es noch günstiger.

Für weitere Fragen stehe ich natürlich jederzeit zur Verfügung

Ich freue mich auf Ihre Antwort
und verbleibe bis dahin grüssend

Die Antworten. Man ahnt es…

Den Geschmack der Briefmarken noch auf der Zunge, erreichten mich auch schon die Antwortschreiben auf offiziellem Bundeshauspapier. Leider nicht wie gehofft von den Privatpersonen. Aber immerhin begründet.

«Ihrem Gesuch um Unterstützung können wir leider nicht entsprechen. Bundesrat Blocher erhält sehr viele derartige Anfragen, die wir aus Gründen der Gleichbehandlung alle ablehnen müssen.»
Livio Zanolari, Generalsekretariat EJPD (Blocher)

«Er [Leuenberger] bittet Sie um Verständnis dafür, dass er von einem finanziellen Beitrag an Ihr Projekt absehen möchte: Herr Leuenberger erhält Anfragen um Unterstützung in so grosser Zahl, dass er sein Engagement auf einige ausgewählte Institutionen beschränken muss.»
Francoise a Marca, Generalsekretariat GS-UVEK (Leuenberger)

«Im Auftrag der Informatuinschefinnen- (sic) und Informatrionschefs (sic) der sieben Departemente teile ich Ihnen mit, dass Ihre Bitte um finanzielle Unterstützung kein offenes Ohr gefunden hat.»
Hansruedi Moser, Sektion Information und Kommunikation, Bundeskanzlei

Ein Projekt, mehrere Gewinner

Natürlich finde ich die Projektidee trotz dieser nachvollziehbaren Absagen nach wie vor sinnvoll und umsetzungswürdig. Ein Grund, weshalb ich sie hier heute publiziere.

Zwar gibt es in der Schweiz unzählige Stiftungen, die auf Anfrage von Hilfswerken oder Privatpersonen einmalig Gelder sprechen. Einige davon vermitteln auch Arbeitslose im Rahmen eines sechsmonatigen Einsatzprogrammes an Nonprofitorganisationen. Letzteres allerdings ausschliesslich im Auftrag und auf Kosten von Arbeits- oder Sozialämtern, was mehrere Nachteile mit sich bringt.

Der Vermittelte bleibt weiterhin offiziell als arbeitslos gemeldet und die Taggelder werden voll angerechnet. Er muss sich im gleichen Umfang wie ohne Teilnahme an einem Einsatzprogramm um Arbeit bemühen. Ein bis zwei Tage in der Woche fehlt er am Arbeitsort, weil er Begleitkurse wie Bewerbungstraining oder Standortbestimmung besuchen muss. Findet er eine Stelle, muss er das Programm binnen Wochenfrist abbrechen. Zudem kostet der Einsatz die Arbeitslosenversicherung – beziehungsweise das Sozialamt und damit den Steuerzahler – eine ganze Stange Geld, weil neben dem versicherten Verdienst oder dem Existenzminimum auch die Kurse bezahlt werden müssen. Dies alles macht den Einsatz für eine eigentlich gute Sache teuer und ineffizient.

Besser als nichts, werden Sie vielleicht sagen. Aber warum soll man es nicht gleich gut machen?

Durch die direkte Unterstützung einer Person im Rahmen eines Projektjahres lassen sich gleich zwei (oder mehr) Fliegen mit einer Klappe schlagen. Hilfsorganisationen erhalten Zugang zu Mitarbeitern, die sich für ein Jahr voll auf ihre Aufgabe konzentrieren können. Es fallen keine Fehltage wegen Kursen oder Bewerbungsgesprächen an. Und es droht kein kurzfristiger Abbruch des Einsatzes.

Die Unterstützten ihrerseits können ein Jahr lang ohne Druck des Arbeitsamtes nach einer geeigneten Arbeit suchen. Sie entrichten weiterhin ihre Sozialabgaben und bleiben dadurch Arbeitslosenversichert. Zudem können sie sich wertvolle neue Fähigkeiten aneignen und Referenzen erarbeiten.

Natürlich kostet ein solches Projektjahr auch ein bisschen Geld. Aber in einem Land mit 185’300 Dollar-Millionären (Stand 2008) sollte sich dieses eigentlich auftreiben lassen.

Falls Sie, liebe Leserin und lieber Leser, sich für ein solches Projekt begeistern können, konkrete Vorschläge haben, oder sich sogar beteiligen wollen, freue ich mich über Ihre Wortmeldung. Egal ob als Privatperson, Stiftung – oder als Politiker.

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Das Recht (auf das Recht) auf ein Minarett

Freitag, 25. Juni 2010 9:58

Dank der Libyen-Affäre und dem armseligen Hickhack in Bundesbern hatten wir für eine Weile wohltuende Ruhe vor der Minarett-Debatte. Doch seit vorgestern Mittwoch ist es auch schon wieder vorbei mit dem religiösen Frieden.

Strassburg, die Demokratie und der Glaube

Seit der Europarat in Strassburg die Schweiz auffordert, das Bauverbot für Minarette aufzuheben, ist in Helvetistan von neuem die christlich-direktdemokratische Hölle los. Kaum ausgesprochen, melden sich einige überpatriotische Schweizer polternd zu Wort. Und werfen munter alles, was irgendwie nach undemokratischem Europa und diktatorischer EU klingt in einen grossen, blubbernden Topf.

Respekt an dieser Stelle übrigens für Daniel Caduff unbekannterweise, der im 20Minuten-Forum alles gibt, Sinn, Zweck und Möglichkeiten des Europarates zu erklären.

Neben dem EU-Bashing, ist in verschiedenen Foren aber vor allem wieder die Religion und ihre Symbole das beherrschende Thema, das neu aufgerollt werden will. Beziehungsweise, wie das Fondue von gestern, aufgewärmt. Man streitet zäh über den fremden Glauben und argumentiert «Wir haben demokratisch abgestimmt, basta» mit der eigenen direkten Demokratie. Zwei Wertesysteme, die sich übrigens ähnlicher sind, als man auf den ersten Blick denken würde.

Man braucht kein Minarett für den Glauben

Tatsächlich haben das religiöse und das gesellschaftliche Selbstverständnis bei näherer Betrachtung einige Gemeinsamkeiten. Eines davon liegt in der reinen Kraft der Symbolik eines unbedingten Rechtes.

Viele Minarettgegner begründen Ihr Stimmverhalten damit, dass selbst viele Muslime nicht unbedingt auf den Bau eines Minaretts bestehen. Und sie fragen: «Wenn die meisten sowieso kein Minarett bauen wollen, warum sollten wir es dann nicht verbieten dürfen?». Man könnte natürlich genauso gut die Gegenfrage stellen: «Wie viel Sinn hat ein Verbot, wenn die Mehrheit sowieso nicht bauen will?». Wie auch immer die Frage formuliert wird, die Schlussfolgerung, dass ein Verbot aus genanntem Grund nichts schadet, ist einmal mehr zu wenig weit gedacht.

Zwischen dem Recht auf Ausübung und der Ausübung dieses Rechtes gibt es einen wichtigen Unterschied.

Fragt man Muslime, finden diese das Fehlen eines Minaretts tatsächlich meist weniger schlimm, als es in einigen Medien dargestellt wird. Wäre dem nicht so, hätten wir schon vor der Abstimmung hunderte dieser Türmchen in unserem Land stehen gehabt. Das heisst aber nicht, dass sie damit auch freiwillig auf das Recht für den Bau eines Minaretts verzichten wollen.

Ein Widerspruch? Im Gegenteil.

Man braucht keine Volksinitiative für eine direkte Demokratie

Wagen wir doch einmal einen kurzen, vergleichenden Blick auf unser demokratisches Selbstverständnis. Was macht für uns eine richtige Demokratie aus? Was unterscheidet diese von den anderen rund um uns herum? Und warum erscheint sie uns so überlegen und schützenswert?

Was für eine Frage, werden Sie sagen. Zunächst einmal sind wir freie, mündige Bürger. Wir entscheiden, was in unserem Land zu geschehen hat und was nicht. Wir bestimmen dank Wahl- und Stimmrecht den Weg unseres Landes. Jeder einzelne mit seiner Stimme. Ausserdem können wir selber eine Veränderung anstossen, indem wir eine Volksinitiative starten. Das kann sonst keiner. Wir haben die beste, weil direkte Demokratie. Das unterscheidet uns von anderen demokratischen Staaten.

Eine kurze Zwischenfrage: «Werden Sie denn auch jemals selber eine Volksinitiative lancieren? Nein? Dann stimmen Sie mir sicher zu, dass man diese ohne weiteres abschaffen könnte, wenn die Mehrheit sowieso…» Auch nein? Hhhmmm.

Die meisten von uns werden ihr ganzes Leben lang keine eigene Volksinitiative lancieren. Trotzdem gehört für uns das Recht darauf untrennbar zu unserer Vorstellung der besten aller besten Staatsformen. Allein die Möglichkeit aktiv mitzuwirken gibt uns das Gefühl, ein Teil des Ganzen zu sein. Würde man uns dieses Recht nehmen, wäre unsere Demokratie nicht mehr das, was sie ausmacht. Wir würden bei einem drohenden Verbot oder der Abschaffung zu Recht auf die Barrikaden steigen.

Ein glücklicher Mensch…

Wir sind nicht bereit, freiwillig auf unser – für die meisten rein symbolisches – Recht auf eine Volksinitiative zu verzichten. Genau so, wie ein Muslim nicht auf sein – für die meisten rein symbolisches – Recht auf ein Minarett verzichten möchte.

Geben wir doch den Gläubigen das symbolische, da theoretische, Recht auf ihr Minarett zurück. Und das praktische und konkrete überlassen wir im Einzelfall wie früher wieder den betroffenen Gemeinden. Hat doch bisher gut geklappt und allen war damit gedient. Inklusive dem religiösen Frieden in unserem kleinen Land. Denn ein ein zufriedener Mensch ist ein glücklicher Mensch ist ein friedlicher Mensch.

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Thema: Gesellschaft, Mensch, Politik, Schweiz | Kommentare (1) | Autor: