Willkommen in der neutralen Schweiz

Da sage noch einer, die Schweiz habe als Wirtschaftsstandort an Attraktivität verloren. Unsere bewährte Neutralität scheint sich bei ausländischen Firmen nach wie vor hoher Beliebtheit zu erfreuen. Von überallher strömen internationale Schwergewichte zu uns. Nur hört man in diesem auf äusserste Diskretion bedachten Land selten etwas von solchen Erfolgen.

Als sich am 21.11.2006 zum Beispiel eine international erfolgreiche israelische Firma in der Schweiz niederliess (siehe Beitrag vom 8. Juni 2010) nahm die Öffentlichkeit praktisch keine Notiz davon. Auch als am 18.03.2010 eine britische Firma einen Holding-Sitz in der friedliebenden Schweiz einrichtete, dauerte es beinahe ein halbes Jahr, bis in einer Randnotiz darüber berichtet wurde. Dabei handelt es sich auch bei diesem Unternehmen um ein global tätiges Schwergewicht.

Wie swissinfo.ch und der Tagi am 09. August 2010 berichten, unterhält die neu niedergelassene britische «in London ansässige [Firma] eine der grössten Söldnerarmeen der Welt. Schätzungsweise 20’000 Söldner sind hauptsächlich im Irak und in Afghanistan tätig – insbesondere im Dienst des US-Verteidigungsministeriums.»

Richtig gelesen: Söldner im Irak und in Afghanistan.

Welche schweizer Mizaru, Kikazaru und Iwazaru waren dafür wohl wieder zuständig? Und welcher 209-Millionen-Franken-Umsatz-Glanz in die Augen treibende Abwehrzauber entfaltete da seine blendende Wirkung?

Bin ich der Einzige, der solche Firmen in einer neutralen Demokratie irgendwie – sagen wir mal – ein bisschen unpassend findet? Oder muss man den Begriff der Neutralität erneut auf die einfachste denkbare Formel «Wir machen keine Unterschiede» herunterdampfen?

Wollen wir das? Brauchen wir das? Und vor allem, gibt es noch andere diskret arbeitende «Sicherheitsfirmen» in der Schweiz? Beziehungsweise, sollen noch weitere dazukommen?

Es scheint, als hätte ich heute zur Abwechslung einmal mehr Fragen als Antworten.

Falls Sie geschätzer Leser einen Vorschlag haben, welche Politiker man mit diesen Fragen belästigen könnte, nehme ich diesen gerne entgegen. Vielleicht richte ich dann hier ein kleines, frei zugängliches Anfrage-Formular ein. Für den Fall, dass noch andere Schweizer ein ähnlich bünzliges Neutralitätsverständnis haben wie ich.

Nachtrag 11. August

Es bewegt sich doch was. Zumindest in den Schweizer Medien. Man darf gespannt sein, ob der Bundesrat nochmal über die Bücher geht und seine Entscheidung vom Mai 2008 «dass in der Schweiz ansässige private Sicherheitsfirmen, die in ausländischen Konflikt- und Krisengebieten tätig sind, vorderhand nicht einer Registrierungs- und Bewilligungspflicht unterstellt werden.» im Sinne der Neutralität revidiert.

Dies umso mehr, als laut Tagesanzeiger für das EDA «die Ansiedlung einer privaten Sicherheitsfirma mit der Neutralität vereinbar [ist]. Die Neutralität erfordere, dass die Schweiz bei bewaffneten Konflikten keiner Kriegspartei ihr Territorium zur Verfügung stelle oder diese mit Waffen oder Truppen unterstütze. Zurzeit sei keine solche Firma in einem neutralitätsrelevanten Konflikt tätig.»

Autor:
Datum: Montag, 9. August 2010 20:44
Trackback: